Viele Pride-Veranstaltung haben in diesem Jahr erhebliche Probleme, Sponsorengelder einzuwerben. Diese Entwicklungen sind nur ein Vorgeschmack des Abschwungs der politischen und finanziellen Aufmerksamkeit für den queeren Aktivismus. Am riskantesten sind die gravierenden Fehlentwicklungen um die Transfrage, die noch weitere Sympathien kosten werden.

Ein kleines Papierfaltboot im Regen in Nahaufnahme, Symbolbild für Artikel "Bunte Nägel oder: Welche Zukunft hat der staatlich protegierte queere Aktivismus?"
Die Bedingungen für den queeren Aktivismus werden in den kommenden Jahren rauer (Foto von Bruno Kelzer auf Unsplash).

8. Juni 2025 | Till Randolf Amelung

Es deutet sich an: Die fetten Jahre für den queeren Aktivismus kommen an ihr Ende. Ein wichtiges Indiz ist die, national wie international, nachlassende Spendenbereitschaft von großen Wirtschaftsunternehmen für Pride-Veranstaltungen. Die Gastgeber großer CSD-Paraden in Berlin, Hamburg, Köln oder München klagen über Finanzierungslücken durch die wegbrechende finanzielle Unterstützung. Noch können alle CSDs in diesem Jahr stattfinden, doch was im kommenden Jahr sein wird, steht in den Sternen.

Als Gründe für diese Veränderung der bisherigen Großzügigkeit gelten die schlechtere Wirtschaftslage und vor allem der Antritt Donald Trumps als Präsident der USA. Trump hat per Dekret zu Beginn seiner Amtszeit Programme für DEI (Diversity, Equity and Inclusion) eingeschränkt und deutlich gemacht, dass er solche Maßnahmen als „woken Unfug“ verachtet. Auch europäische Firmen, die in den USA Geschäfte machen, sind von diesen Dekreten davon betroffen. Um sich den Zugang zum US-Markt zu erhalten, wird sich von allzu offensiven Vielfaltsbekenntnissen verabschiedet – und damit auch vom Sponsoring von queeren Events.

Trump ist nicht allein schuld

Doch die Krise kann nicht allein auf den Faktor namens Trump geschoben werden. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre hat sich im queeren Aktivismus eine Struktur entwickelt, die vor allem durch staatliche Gelder lebt, wenn sie nicht obendrein noch Sponsorengelder aus der Privatwirtschaft und von Stiftungen erhält. Um sich weiterhin zuwendungsrelevant zu halten, hat sich in den letzten zehn Jahren dadurch eine Art Soufflé-Effekt aufgebaut – der Bedarf wurde mit viel heißer Luft größer aufgebläht als er eigentlich ist. Dafür wurde „Queer“ definitorisch so ausgeweitet, dass sich jede x-beliebige Hete mit bunten Haaren und Phantasiepronomen inkludieren kann.

Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Transthema zuteil. Doch die Chancen, die sich daraus ergeben haben, wurden nicht sinnvoll genutzt. Stattdessen haben die so großzügig mit staatlichem Geld gepamperte Aktivistas auch noch dem nun rollenden Backlash zugearbeitet!

Schwere Fehler in der Transfrage

Gerade in der Transfrage ist Grundlegendes derart falsch gelaufen, dass die Fehler nicht so einfach zu reparieren sein werden und ein breiter Flurschaden für die queere Akzeptanz entstanden ist. Auf der Basis einer durch Judith Butler geprägten Queer Theory wurde die Zweigeschlechtlichkeit zu einem zu überwindenden Übel, was vor allem in einem immer nach dem nächsten „Radical Chic“ lechzenden progressiven und wohlstandsverwahrlosten Milieu besonders gut ankam.

Politisch entstanden daraus Konzepte wie Geschlecht als Teil der individuellen Selbstbestimmung, womit vor allem gemeint war, Definition des Geschlechts von seinen körperlichen Grundlagen zu lösen. In Deutschland führte das 2024 zur Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes, wonach nun alle volljährigen BürgerInnen zum örtlichen Standesamt gehen und ihren amtlich dokumentierten Geschlechtseintrag ändern lassen können. Minderjährige können dies mit ihren Eltern gemeinsam tun. Es müssen weder die Motive für diesen Schritt dargelegt werden, noch muss der neu gewählte Geschlechtseintrag auch nur annähernd zum Äußeren passen. Ohnehin gilt in dieser ideologischen Welt, was der ehemalige Queerbeauftragte Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) einmal im Fernsehsender 3sat sagte: „Welches Geschlecht ein Mensch hat, kann kein Arzt von außen attestieren.“

Staatlich subventionierte Irrtümer

Die staatlich geförderten Aktivistas wähnen sich am Ziel und streichen zu seiner Absicherung generöse Fördermittel über Programme wie „Demokratie leben“ ein, um KritikerInnen an der queeren Entmaterialisierung von Geschlecht in den Ruch des Rechtsextremen zu bringen. Doch wer sich nicht der ideologisch-politischen Kreiswichserei hingibt, weiß längst, dass es immer noch nur zwei biologische Geschlechter gibt, deren materielle Bedingungen nicht per Sprechakt obsolet werden.

Solche materiellen Bedingungen zeigen sich beispielsweise in der Medizin, im Sport oder generell in den Körperfunktionen. Das wissen auch die queeren Aktivistas, weshalb sie orwellschen Neusprech verlangen, der beispielsweise anstatt „Frau“ „Mensch mit Uterus“ sagt. Im Sport wird nun nach Jahren der Trend zur Inklusion von biologisch männlichen Trans- und Interpersonen in den Frauensport wieder umgekehrt, indem mehr und mehr Sportverbände Restriktionen erlassen. Wissenschaftlich zu evident sind die Vorteile der biologisch männlichen Körper und die Sicherheitsrisiken für Frauen.

Queere Aktivistas waren in den letzten dreißig Jahren erfolgsverwöhnt: Schritt für Schritt stieg die gesellschaftliche Akzeptanz, wurden Gleichstellungserfolge wie die „Ehe für alle“ erzielt. (Wobei: Die Entbiologisierung der Ehe, die Vollendung der bürgerlichen Aufklärung im Personenstandsrecht, verdankt sich nicht der queeren Bewegung, sondern der der Schwulen und Lesben.) Auch die stärkere Unterstützung für Trans oder das OP-Verbot zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von intergeschlechtlichen Kindern sind wichtige Meilensteine.

Hinterfragen bei Trans tabu

Doch gerade innerhalb der letzten zehn Jahre verließ man in Sachen Geschlecht den Rahmen wissenschaftlicher Evidenz und Vernunft. Insbesondere aber stellte man die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf Verluste über die anderer, vor allem von Frauen sowie von vulnerablen Kindern und Jugendlichen. Denn während man um die körperliche Unversehrtheit von intergeschlechtlichen Kindern kämpft, ist die von heranwachsenden Lesben und Schwulen sowie jungen Menschen mit Autismus sowie anderen Erschwernissen nicht so wichtig. Sobald das magische Wort „trans“ fällt, darf nicht mehr hinterfragt werden, ob soziale, rechtliche und vor allem medizinische Schritte einer Geschlechtsangleichung wirklich die beste Lösung für ein Kind oder Jugendlichen ist. Dabei steht die medizinische Evidenz für dieses Vorgehen auf sehr wackligen Beinen.

Im Ausland fallen diese Fehler LGBTIQ bereits böse auf die Füße. In den USA verhalfen die Kontroversen insbesondere um falsch behandelte Minderjährige und biologisch männlichen Personen im Frauensport Trump mit zum Wahlsieg. In Großbritannien urteilte nun das höchste Gericht, dass in bestimmten Situationen zwischen Trans und biologischem Geschlecht differenziert werden darf. Ebenso wurde dort die Kehrtwende im medizinischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen vollzogen, die eine Transition wollen.

Akzeptanz sinkt in UK

Gerade am britischen Beispiel lässt sich die sinkende Akzeptanz auch messbar zeigen. Im ILGA-Ranking lag Großbritannien einmal auf den vordersten Plätzen als „Europe’s most LGBTQ+ friendly country“. Im Februar 2025 veröffentlichte Zahlen einer seit 2018 regelmäßig wiederholten YouGov-Befragung zeigen speziell in der Transfrage, wie seit 2022 die Skepsis gegenüber diesen Anliegen in der britischen Bevölkerung wächst.

Robert Wintemute, britischer Menschenrechtsexperte und Mitautor an den international zur Richtschnur für LGBTIQ-Menschenrechte erhobenen Yogyakarta-Prinzipien, beschrieb, was ihn vom Unterstützer zu Kritiker der Transbewegung werden ließ: Dass einige Mitglieder der Transgender-Bewegung nicht zu verstehen scheinen, dass auch Frauen Menschenrechte haben. Die bisherigen Reaktionen britischer Transaktivistas auf das Supreme-Court-Urteil lassen den Schluss zu, dass Wintemutes Befund zutreffend ist. Bei einem Protestmarsch an Ostern wurde in London wildgepinkelt und Schilder mit Todeswünschen an sogenannte TERFs hochgehalten, bei anderen Aktionen vor allem von Transfrauen mit nacktem Oberkörper demonstriert. Es scheint so, als wollten die Aktivistas unbedingt dafür sorgen, dass sich die Werte in der nächsten YouGov-Befragung weiter verschlechtern.

Festhalten am Selbstbestimmungsgesetz

Auch in Deutschland arbeitet die staatlich alimentierte Szene unbeirrt dem eigenen Untergang entgegen. Am Selbstbestimmungsgesetz wird eisern festgehalten, obwohl rechtsextreme Aktivistas wie Marla-Svenja Liebich vorführen, wie einfach es zu nutzen ist, um Rechtsabteilungen zu beschäftigen. Neu hinzugekommen ist ein AfD-Mitglied aus dem Saarland, was bereits angekündigt hat, mit dem neuen Geschlechtseintrag „weiblich“ gezielt Zutritt zu Sanitär- und Umkleidebereichen für Frauen zu fordern.

Ebenso unbeirrt wird die Medikalisierung von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie vorangetrieben, obwohl sich die Warnungen vor Risiken aufgrund der schwachen medizinischen Evidenz mehren. Im Kurznachrichtendienst X kursiert ein Videoclip, der einen Ausschnitt aus einem Vortrag von Mari Günther, Referentin für Beratung im Bundesverband Trans*, zeigt. In diesem Ausschnitt macht Günther deutlich, dass es nur darum gehe, Eltern dazu zu bewegen, die geäußerte Transidentität ihres Kindes zu unterstützen. Das Erforschen anderer Gründe für das Unwohlsein mit dem eigenen Geschlecht oder Alternativen zu einer Transition stehen für Günther offenbar nicht zur Debatte.

All diese Auffassungen werden mit Steuergeld unterstützt. Doch jenseits der queeren Blase und ihrer politischen Förderer wachsen Skepsis und Kritik. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieses instabile Gebilde zusammenkracht. Queere Aktivistas, die nicht rechtzeitig erkennen, auf welchem gefährlichen Irrweg sie gerade unterwegs sind, drohen unter den Trümmern begraben zu werden. Bei den anschließenden Aufräumarbeiten werden sie dann nicht mehr mitzureden haben.

Abschwung in Sichtweite

Der staatliche Geldsegen wird dann auch versiegen. So manche, die sich zuvor noch als „Ally“ sahen, werden soweit sie können auf Abstand gehen, wenn die Schäden insbesondere für Frauen und Kinder durch fehlgeleitete transaktivistische Ziele sich offenbaren. Viele der jetzt noch obligatorischen Pronomen werden dann wieder klammheimlich aus den E-Mail-Signaturen verschwinden. Und die heterosexuellen Identitätstouristen werden sich die lila Farbe aus den Haaren wachsen lassen, das Choker-Halsband mitsamt dem Katzenohr-Haarreif im Altkleidersack versenken.

Ohnehin hat sich bereits 2022 mit Putins Überfall auf die gesamte Ukraine die Weltlage verändert, die Zeitenwende ist längst im Gange. Durch die Preissteigerungen und schwächelnde Wirtschaftsleistungen in der Folge hängt allerorten der Brotkorb höher und wie man bereits in der CSD-Saison 2025 sieht, ist auch die Freigebigkeit rückläufig. Dieser Trend könnte weiter zunehmen. Und sollte die Transblase bald platzen, will sicherlich auch kaum noch jemand Anliegen und Gruppen unterstützen, die schädliche Dinge propagiert haben. Es wird also in jedem Fall mit einer Schrumpfung zu rechnen sein. Wenn wir die Entwicklungen aber auch noch mitgestalten wollen, müssen wir die Zeichen der Zeit sehen und vor allem rund um Geschlechterthemen endlich den Kurs zu mehr Vernunft ändern.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.


Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig!  Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.