In Großbritannien sorgt das Gerichtsurteil zur Definition des Begriffs „Frau“ im Gleichstellungsgesetz weiterhin für große Erleichterung und einen Dominoeffekt. Wo vorher großzügig das Self-ID-Prinzip angewendet wurde, wird es jetzt wieder zurückgefahren. Daran zeigt sich, dass der Transaktivismus sich mit der Forderung nach Self ID selbst ins Knie geschossen hat. Auch in Deutschland kann es zu ähnlichen Entwicklungen kommen.

Riss in Betonboden, Symbolbild für Das Self-ID-Dogma bröckelt
Self-ID ist nicht mehr unantastbar (Foto von Mahdis Mousavi auf Unsplash).

6. Mai 2025 | Till Randolf Amelung

Kurz vor Ostern urteilte der britische Supreme Court darüber, dass für den Begriff „Frau“ in Gleichstellungsgesetzen die biologische Geschlechtsdefinition entscheidend ist. Geklagt hatte die feministische Organisation Women for Scotland, weil Schottland ein Gleichstellungsgesetz erlassen hatte, was definitorisch auch biologisch männliche Transfrauen mit rechtlicher Geschlechtsanpassung als „Frau“ anerkennen wollte. So hätte es beispielsweise im Bereich Frauenquoten passieren können, dass Vorstände auf dem Papier einen Frauenanteil aufweisen, aber trotzdem zu 100 Prozent mit biologisch männlichen Personen besetzt sind.

Sorge in Deutschland

Deutsche Transaktivistas wünschen sich, dass ihnen solche Entscheidungen erspart bleiben, wie Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* gegenüber dem MDR sagte: „Wir hoffen sehr, dass wir in Deutschland nie an diesen Punkt kommen, wie wir das gerade in den USA und in UK beobachten.“ Doch in Deutschland ist Self ID mit dem Selbstbestimmungsgesetz trotz deutlicher Warnungen im November vergangenen Jahres in Kraft getreten – die Konflikte sind daher auch hier vorprogrammiert.

Schon vor dem Inkrafttreten machte in Erlangen eine Transfrau Schlagzeilen, die in einem Frauenfitnessstudio Mitglied werden wollte und keine operative Geschlechtsangleichung vorgenommen hatte. Die Betreiberin lehnte das mit Verweis auf ihr Hausrecht ab, da ihr Angebot für biologische Frauen konzipiert sei. Dadurch fühlte sich die Transfrau diskriminiert. Jetzt im Mai wurde bekannt, dass die Transfrau vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Klage eingereicht hat. Nun haben wir also auch in Deutschland einen exemplarischen Fall, an dem die Relevanz des biologischen Geschlechts und die Grenzen von Self ID mitverhandelt werden. Wir werden sehen, ob am Ende ein vergleichbares Urteil wie in Großbritannien steht oder ob das transaktivistische Self-ID-Paradigma gestützt wird.

Geschlechtswechsel als juristische Fiktion

In allen Ländern, wo innerhalb der letzten 50 Jahre Regelungen ermöglichten, dass Transpersonen mit einer weitmöglich vorgenommenen Geschlechtsangleichung den Vornamen und ihren Geschlechtseintrag in ihren amtlichen Dokumenten ändern dürfen, wurde dies als juristische Fiktion geschaffen. Dadurch konnten diese Transpersonen eine Diskrepanz zwischen dem sozial gelebten Geschlecht und den Ausweisdokumenten beseitigen und so besser an der Gesellschaft teilhaben.

Gleichstellungs- und Frauenfördermaßnahmen wurden hingegen schon immer von den körperlichen und sozialen Bedingungen her konzipiert, die sich aus dem biologischen Geschlecht ergeben. Das jedoch wurde vom Transaktivismus der vergangenen 15 Jahre bewusst geleugnet. Eine situativ vorgenommene Unterscheidung zwischen biologischem und Identitätsgeschlecht wurde als „transphob“ verdammt. Entsprechend wurde in Großbritannien in vielen Bereichen verfahren, was für eine immer stärkere Polarisierung um das Transthema sorgte.

Dominoeffekt nach Gerichtsurteil

Nach der nun erfolgten höchstrichterlichen Klarstellung, dass das biologische Geschlecht nicht obsolet ist und weiterhin prägend sein kann, kommt es aktuell zu einem kulturellen Dominoeffekt im Vereinigten Königreich: Zuerst veröffentlichte die Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission Ende April eine erste Einschätzung, wie das Urteil des Supreme Court auf Bereiche wie Toiletten auszulegen ist. Dabei wurde die jahrelange Selbstverständlichkeit beendet, dass Transpersonen überall die Toiletten, Sammelduschen sowie -umkleiden und Ähnliches gemäß des Identitätsgeschlechts benutzen dürfen.

Wichtig ist aber auch: In der Einschätzung wird klargestellt, dass Transpersonen nicht in die Lage gebracht werden dürfen, keine Toilette oder andere geschlechtsspezifische Einrichtung nutzen zu können. Als Lösung wird die Ausweitung des Angebots an zusätzlichen Unisex-Einrichtungen empfohlen. Transverbände befürchten, dass es nun zu diskriminierender „Toilettenpolizei“ käme. Allies aus dem Kulturbereich haben mit einem Offenen Brief verkündet, sich dem Urteil zu widersetzen und nicht reglementieren zu wollen, wer welche Toilette benutzt.

Transaktivistas beklagen Entzug ihrer Rechte

Viele Transaktivistas, auch in Deutschland, beschwören nun den Untergang herbei. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) behauptet in einer Pressemitteilung: „In UK haben transgeschlechtliche Menschen keine gleichen Rechte mehr, also keine Menschenrechte wie alle anderen.“ Dabei hat der Supreme Court in seinem Urteil klargestellt, dass Transpersonen ebenfalls vor Diskriminierungen geschützt sind und nicht wegen des Transseins benachteiligt werden dürfen. Kim Nala Wahle, eine deutsche Influencerin und Transfrau, greift auf der Plattform LinkedIn jedoch zu NS-Vergleichen, um transaktivistische Anliegen mit Dringlichkeit zu versehen: „Wollt ihr uns jetzt wieder dazu zwingen, rosa Dreiecke am Arm zu tragen, damit ihr euch sicher fühlt?“  

Ein Problem sollten speziell in der Umkleide- und Toilettenfrage aber vor allem Transpersonen haben, deren äußerliche Übereinstimmung mit dem Identitätsgeschlecht  nicht optimal ist. Wer sich im Alltag unauffällig bewegen kann, erregt keinen Argwohn an der Toilettentür. Anders sieht es hingegen bei Themen wie Frauenquoten oder dem In-Anspruch-nehmen-Wollen von geschlechtsspezifischen Angeboten, zum Beispiel Frauenhäusern oder Organisationen und Räume für Homosexuelle.

Bei Letzterem gibt es jedoch auch Missverständnisse, wenn z.B. von der dgti behauptet wird, lesbische oder schwule Organisationen dürften keine Transmänner oder Transfrauen mehr aufnehmen. Wie Dennis Noel Kavanagh in unserem Blog dargelegt hat, geht es in erster Linie darum, dass homosexuelle Gruppen nicht mehr dazu gezwungen werden können, Transpersonen aufzunehmen. Was gegen die Wand fährt, ist jedoch die transaktivistische Losung „Transfrauen sind Frauen, Transmänner sind Männer – keine Debatte!“.

Transfrauen vom Frauenfußball ausgeschlossen

Eine weitere Änderung betrifft die Teilhabe von Transfrauen am Frauensport. Der britische Fußballverband FA verkündete nun, dass zum 1. Juni als Stichtag Transfrauen nicht mehr in Frauenfußballteams mitspielen dürfen. Das betrifft nicht nur den Profi-, sondern auch den Amateurbereich. Andere Sportverbände im Land ziehen nach.

Diese Entscheidung ist im Einklang mit der Wissenschaft, denn der körperliche Vorteil von Personen, die in ihrem Leben eine vermännlichende Pubertät durchlaufen haben, ist relevant – nicht nur für die Fairness, sondern auch für die Sicherheit. Das belegt eine Meldung vom 2. Mai über einen Vorfall aus dem Jahr 2023, wo eine Transfrau bei einem Frauenfußballmatch einer Gegenspielerin unabsichtlich das Kniegelenk gebrochen haben soll.

Selbst in den obersten Rängen verändert das Gerichtsurteil die Haltungen. Premierminister und Labour-Politiker Keir Starmer hat 2022 noch gesagt, dass er keinen Unterschied zwischen Transfrauen und biologischen Frauen mache, dies sei das Gesetz. Den höchsten Richterspruch, konträr zu seinen damaligen Auffassungen, erkenne er nun an.

Seine Parteikollegin Bridget Phillipson, Ministerin für Frauen und Gleichstellung, sagte auf dem Kurznachrichtendienst X, das Urteil bringe „Klarheit und Vertrauen“. Es scheint, dass man nun überall in Großbritannien erleichtert ist, dort das biologische Geschlecht wieder offen als Bezugsrahmen setzen zu dürfen, wo dies geboten und sinnvoll ist. Damit beerdigt ist politisch die Vorstellung, Geschlecht als etwas völlig Selbstbestimmtes und von der Biologie unabhängig zu denken.

Diese Beobachtung teilt die britische Journalistin Helen Lewis:

„Aus britischer Sicht fällt sofort auf, wie breit das Urteil in dieser Woche quer durch das politische Spektrum akzeptiert wurde. Dies ist eine dramatische Umkehrung. Um in Großbritannien eine Bescheinigung über die Anerkennung des Geschlechts zu erhalten, benötigt ein Antragsteller eine medizinische Diagnose der Dysphorie und eine Beurteilung durch ein unabhängiges Gremium.

Vor zehn Jahren befürworteten fast alle großen britischen Parteien – Labour, die Konservativen, die SNP, die Liberaldemokraten, die Grünen – die Umstellung auf eine Politik der Selbstidentifizierung des Geschlechts, wodurch die Notwendigkeit einer externen Überprüfung entfallen wäre. Heute unterstützen nur noch die Liberaldemokraten und die Grünen die Selbstidentifizierung.“

Lewis bewertet das Urteil so:

„Frauen werden diskriminiert, und das gilt auch für Transgender beiderlei Geschlechts, und das Gesetz kann dies anerkennen. Zuweilen müssen ihre Rechte ausgeglichen werden. Diese sorgfältige Entscheidung hat genau das getan.“

Self ID versammelt toxische Männlichkeit

Insgesamt gilt: Die Ideologie von Geschlecht als eine ausschließliche Angelegenheit der Selbstidentifizierung hat erst zu dieser krachenden Niederlage für den Transaktivismus geführt. Anstatt hier Einsicht zu zeigen, riefen Transaktivistas über Ostern in mehreren Orten Großbritanniens zu Demonstrationen auf. In London gehörte dazu unter dem Hashtag #PeeForMe auch ein öffentlicher Piss-In, zu dem die Transfrau und ehemalige BBC-Moderation India Willoughby aufrief. Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins kommentierte das auf X: „Aggressiv dominante männliche Säugetiere urinieren typischerweise, um ihr Territorium mit einem Duft zu markieren.“

Ebenso wurden in der Demo Schilder mit frauenverachtenden Slogans wie „Die einzige gute TERF ist eine tote“ oder „Auf TERFS pissen“ gezeigt. Eine Statue zu Ehren der Frauenrechtlerin Millicent Fawcett wurde ebenfalls beschmiert. Es war eine Parade der toxischen Männlichkeit, die da in britischen Städten auflief. Die Self-ID-Ideologie hat auch deshalb verloren, weil sie Frauen verbieten wollte, das Offensichtliche klar benennen zu dürfen.

Nach hinten los ging daher auch eine Solidarisierungsaktion von Prominenten unter dem Hashtag „#ProtectTheDolls“ – „Doll“ ist in der Anglosphäre ein Slangwort für „Transfrau“. Besonders viele britische Frauen verwendeten das Hashtag auf X, um Fotos und Videos von biologisch männlichen Personen zu posten, die gemäß des Self-ID-Dogmas als Frauen hingenommen werden sollen. Das Bildmaterial zeigte Frauenverachtung sowie offenkundige Paraphilien auch in Frauentoiletten, die von biologischen Frauen als belästigend und bedrohlich empfunden werden.

Mit Self ID soll jedoch nichts in Frage gestellt werden. Wenn Transaktivismus selbst nicht mehr zwischen übergriffigen Männern mit Paraphilien und sozial integrationswilligen Transpersonen unterscheiden will, muss man sich nicht wundern, dass auch andere nicht mehr unterscheiden wollen.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.


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