Pünktlich zur Pride-Saison gibt es immer wieder Streit, ob und wie Kink in den CSD-Demos sichtbar sein sollte oder darf. Vor allem, wenn Kinder anwesend sind. Am 3. Juni erschien online im Berliner Stadtmagazin Siegessäule der Kommentar „Lack, Leder, lächerliche Empörung – Puppys sind keine Gefahr für Kinder!“ von Jeff Mannes. Unser Gastautor William Black erläutert, warum er das anders sieht.

Mann mit Puppy-Maske und Lederhemd, Symbolbild für Artikel "Sex, Hundemasken und Kinder: Warum Kink auf der Pride nicht politisch, sondern problematisch ist"
Pride-Demos mit oder ohne Puppy? (Foto von Sonny Ravesteijn auf Unsplash.)

10. Juni 2025 | William Black

Jeden Sommer entfacht sie aufs Neue hitzige Debatten: die Frage, ob Fetischdarstellungen auf CSDs – insbesondere in Gegenwart von Kindern – Ausdruck sexueller Befreiung oder bedenklicher Grenzverschiebung sind. Was einige als sichtbaren Protest feiern, empfinden andere als ideologisierte Enthemmung. Die Kontroverse um Kink auf der Pride ist längst zum Lackmustest innergemeinschaftlicher Bruchlinien geworden.

Dabei berührt die Debatte zentrale Konflikte der schwullesbischen Emanzipationsgeschichte: Die Fetischierbarkeit der Körper nicht-heteronormativ begehrender Menschen war stets ambivalent – kriminalisiert, zugleich begehrt. Heute prallen Sichtbarkeit und Verantwortung, Lust und Schutz, Befreiung und politische Reife schmerzhaft aufeinander.

Zugleich zeigt sich ein paradoxer Effekt: Das uneingeschränkte Affirmieren sexueller Entgrenzung wird zunehmend zum moralischen Purity-Test. Zustimmung wird zur Loyalitätsbekundung, Kritik zur verdächtigen Normativität – ein Mechanismus, der im angelsächsischen Raum längst als „woke purity culture“ beschrieben wird.

„Kink“ – ein Wort, das im queeraktivistischen Diskurs längst umgedeutet wurde: von der klaren Definition ungewöhnlicher, teils extremer sexueller Praktiken hin zu einer politischen Chiffre. Kink gilt nun als nicht-immer-sexuell, kann therapeutische Funktionen übernehmen oder abstrakte Motive wie Entspannung, Gemeinschaft oder spielerische Selbstfindung beinhalten.

Doch all das geschieht in einem kulturellen Klima, das nicht nur emanzipatorisch, sondern auch marktlogisch funktioniert: Die permanente Reizung, das Sichtbar-Machen um jeden Preis, die Zurschaustellung des Begehrens folgt oft weniger einem Bedürfnis nach Freiheit als den Regeln eines neoliberalen Spektakels – immer spektakulärer, immer enthemmter, immer konsumierbarer. Was als Sichtbarkeit verkauft wird, ist nicht selten die Ästhetisierung der Reizüberflutung.

Eine häufig zitierte Studie von Darren Langdridge und Jamie Lawson (The Psychology of Puppy Play, 2019), die in queeren Kreisen vielfach rezipiert wurde, hat diese Perspektive wissenschaftlich unterfüttert – und dient seither als eine Art Legitimationsgrundlage, um die Praxis von Kink auch im öffentlichen Raum zu enttabuisieren.

Was auf der Pride zu sehen ist, sei nur Verkleidung. Kinder würden das ohnehin nicht als Sexualität erkennen. Und wer widerspricht, gilt als verklemmt, prüde – queerfeindlich. Doch diese Argumentation ist naiv – und gefährlich. Sichtbarkeit wirkt. Immer. Und nicht alles, was aus der queeraktivistischen Ideenwelt hervorgegangen ist, muss überall sichtbar gemacht werden.

Kink und Kinder? Jeff Mannes sagt ja – und das ist das Problem.

Der Kommentar „Lack, Leder, lächerliche Empörung – Puppys sind keine Gefahr für Kinder!“, veröffentlicht am 3. Juni 2025 auf siegessaeule.de, steht exemplarisch für eine Entwicklung, die viele langjährige Mitglieder der schwullesbischen Community mit wachsender Irritation verfolgen: Die Verschiebung des CSD von einem politischen Emanzipationsumzug zu einer Bühne identitätspolitischer Performanz.

Mannes’ Text ist dabei mehr als nur eine Verteidigung der Fetischsichtbarkeit – er ist ein Plädoyer für gezielte Provokation, auch vor Kindern. Er bedient sich einer Rhetorik, die Kritik reflexhaft als prüde oder repressiv abtut und Sichtbarkeit über jede Form von Kontext stellt.

Was früher Differenz war – zwischen Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, zwischen Lebenswelt und Protest – wird heute glattgebügelt zugunsten einer Linie, die nur noch eines kennt: mehr Sichtbarkeit, mehr Irritation, mehr Entgrenzung.

Bereits neun Monate zuvor veröffentlichte Mannes auf queer.de einen Kommentar unter dem Titel: „Kink ist Pride – und Kinder sollen das sehen!“. Der Beitrag ist laut, agitatorisch, provokant – eine offensive Kampfansage gegen jede Form von Zurückhaltung. In seinem späteren Artikel in der Siegessäule dagegen gibt sich Mannes konzilianter: Die Sprache ist geschmeidiger, das Plädoyer eingebettet in Begriffe wie Vielfalt, Normalität und pädagogischer Nutzen. Die Botschaft aber bleibt dieselbe: Kink gehört auf die Pride – und Kinder sollen das sehen.

Das ist keine neutrale Beobachtung, sondern eine politische Agenda. Eine bewusste Grenzverschiebung, eine symbolische Provokation – nicht trotz, sondern wegen der zu erwartenden Kritik. Sichtbarkeit wird dabei nicht als Mittel verstanden, sondern als Selbstzweck. In einem Klima identitätspolitischer Absolutheit gerät jede Kritik unter Generalverdacht – als Angriff auf Vielfalt selbst.

Der Text operiert mit vier typischen Strategien des derzeit dominanten queeraktivistischen Diskurses:

Erstens: Subjektivierung statt Argument

Mannes trennt strikt zwischen sexueller Handlung und sexueller Symbolik – so strikt, dass jede gesellschaftliche Deutung ausgeschlossen wird. Sexuell ist nur, was sich subjektiv so anfühlt. Der kulturelle Symbolgehalt von Fetischgear, Puppy Play oder BDSM-Zubehör wird damit entwertet. Was außen sichtbar ist, spielt keine Rolle – nur das Innenleben zählt.

Zweitens: Infantilismus als Argumentationsstrategie  

Eine zentrale Passage lautet:  „Ein Kind sieht, wenn es einen Menschen mit Hundemaske erblickt, keinen Sex.“  Diese Aussage ist nicht nur naiv, sondern zynisch. Kinder werden nicht geschützt, sondern instrumentalisiert – als Projektionsflächen einer Welt, in der alles gleichwertig, alles normalisierbar sein soll. Ob sie sexualisierte Symbole sinnvoll verarbeiten können, wird gar nicht erst gefragt.

Drittens: Politischer Absolutismus der Abweichung

„Sexualität ist politisch. Queeres Leben ist politisch. Und Kink ist ebenfalls politisch.“  Mannes erhebt jede Normabweichung zum politischen Akt – ungeachtet von Kontext und Wirkung. Politik wird zur Provokation, Sichtbarkeit zur Eskalation. Wer Regeln respektiert, gilt als angepasst.

Viertens: Immunisierung durch Empörungsrhetorik 

Die klassische Einleitung „Ich hab ja nichts gegen queere Menschen, aber…“ dient hier der Abwehr jeder Kritik. Wer differenziert, wird verdächtigt. Wer Maß fordert, gilt als repressiv. Eine Debatte über Ort, Wirkung oder Adressat wird dadurch im Keim erstickt.

Was heute als „Freiheit“ gefeiert wird, ist häufig ein Absolutismus des Ausdrucks – entgrenzt, kontextvergessen, immun gegen Kritik. Doch Emanzipation war nie Maßlosigkeit. Die schwullesbische Bewegung kämpfte für Sichtbarkeit, Gleichstellung und Schutz – nicht für schrankenlose Selbstdarstellung. Ihr Erfolg beruhte auf Legitimität, nicht Lautstärke. Auf kollektiver Erfahrung, nicht auf individueller Zersplitterung. Wenn Gleichstellung zur Bühne narzisstischer Inszenierung wird, verliert „Freiheit“ ihren politischen Kern – und wird zur Pose.

Diese Entwicklung ist nicht zufällig. Sie folgt einem ideologischen Paradigma, das im poststrukturalistischen Denken wurzelt: Alles ist Zeichen, Identität wird zur Performanz, Wahrheit zur Konstruktion. Was einst als Kritik an Normen begann, mutiert zur Doktrin: fluide im Anspruch, autoritär im Ton. Der Queeraktivismus wird zum verlängerten Arm dieser Theorie – auf der Straße, in der Kulturpolitik, im pädagogischen Raum.

Die Mehrheit queerer Menschen aber, lebt keine extrovertierte Kink-Identität. Viele Lesben, Schwule und Transpersonen führen ein erfülltes, „vanilla“-geprägtes Leben – mit gelegentlichem Stolz, aber ohne Dauerinszenierung. Sichtbarkeit bedeutet für sie: Sicherheit, Normalität, Gleichstellung. Nicht Dauerprovokation.

Identitätspolitik, Sichtbarkeit und das Spektakel der Sexualität

Immer häufiger ersetzt der Auftritt das Anliegen. Sichtbarkeit wird nicht mehr begründet, sondern behauptet – schrill, demonstrativ, unantastbar. Was ursprünglich als Mittel kollektiver Emanzipation diente, gerät zur Bühne individueller Selbstvergewisserung. Die politische Botschaft wird zur ästhetischen Geste, das geteilte Begehren zum performativen Statement.

Ursprünglich bedeutete Identitätspolitik: Benennung, Sichtbarmachung, Schutzräume. Diskriminierte Gruppen artikulierten ihre Erfahrungen und forderten gleiche Rechte. Doch diese Stoßrichtung ist weitgehend verschwunden. Statt Anliegen zählen heute Ästhetik und Irritationskraft. „Ich fühle mich so – also bin ich so. Niemand darf das in Frage stellen“, lautet die neue Devise.

In dieser Logik wird Sexualität nicht mehr als verletzlicher Erfahrungsraum verstanden, sondern als öffentlich vorzeigbare Geste – gerade, wenn es um Kink oder BDSM geht. Die Parole „Kink ist Pride“ ist ein Resultat dieser Dramaturgie. Sie verwandelt sexuelle Praxis in politische Behauptung – nicht, weil jemand bedroht ist, sondern weil jemand gesehen werden will.

Doch das Spektakel ersetzt nicht die Substanz. Wer auftritt, erwartet Zustimmung – nicht Diskussion. Wer dagegen fragt, ob Fetischdarstellungen auf der Pride wirklich nötig sind, steht nicht mehr in einer Debatte, sondern unter Verdacht.

Gravierender noch ist die Frage nach dem Ort: Wenn sexualisierte Codes in Räume getragen werden, die auch Kindern offen stehen, wird die politische Bühne zur pädagogischen Grauzone. Der Maßstab verschiebt sich – vom Schutz des Kindes zur Sichtbarkeit des Erwachsenen. Pädagogische Verantwortung wird ersetzt durch symbolische Selbstvergewisserung.

Was aber geschieht, wenn ein Kind beobachtet, wie Erwachsene mit Hundemasken auf allen Vieren durch die Stadt ziehen – und diese Darstellungen als „pädagogisch wertvoll“ gedeutet werden? Ein Kind, das gerade gelernt hat, in der Öffentlichkeit nicht zu pinkeln, könnte nun vermittelt bekommen, dass genau dieses Verhalten im Rahmen queerer Sichtbarkeit völlig in Ordnung sei. Der Verlust von Kontext ist hier nicht Befreiung, sondern Verwirrung.

Was Kinder nicht sagen können – und Erwachsene nicht hören wollen

Besonders deutlich wird der Konflikt in einem Video der transaktivistischen Influencerin Finessi mit dem Titel „Notwendige Aufklärung? | FiNessi reagiert“, veröffentlicht am 24. August 2024 auf YouTube. Darin greift sie affirmativ Jeff Mannes’ queer.de-Kommentar auf – nicht kritisch, sondern zustimmend. Schon zu Beginn macht sie sich dessen zentrale These zu eigen:

Kink ist Pride – und Kinder sollen das sehen.

Diese Aussage markiert den programmatischen Auftakt eines Kommentars, in dem Sichtbarkeit, Sexualität und Pädagogik zu einer unauflöslichen Einheit verschmelzen. Die Sichtbarkeit sexualisierter Codes wird zur Notwendigkeit erklärt, Kritik daran als repressiv gebrandmarkt – und Kinder zu neutralen Beobachtern erklärt, die keine sexuellen Konnotationen erkennen und deshalb auch nicht geschützt werden müssten.

Finessi verteidigt Puppy Play auf der Pride nicht trotz, sondern wegen der Anwesenheit von Kindern. Kinder, so das Argument, müssten früh mit allem konfrontiert werden, um ihre Grenzen kennenzulernen. Dass diese Erfahrungen durch Erwachsene kuratiert und öffentlich inszeniert werden, scheint kein Problem darzustellen. Pädagogische Expertise ersetzt Finessi durch Überzeugungskraft – das Kindeswohl wird rhetorisch dem Kampf um Sichtbarkeit untergeordnet.

Im Verlauf des Videos wird das Lachen eines Kindes über einen „Puppy Player“ als Beweis für Unbedenklichkeit dargestellt – als sei das Fehlen von Abwehrreaktionen ein Freibrief für jede Performance. Symbolische Bedeutung? Fehlanzeige. Kindliche Schutzräume? Überflüssig. Alles wird in der Logik der Sichtbarkeit aufgelöst. Auch Karneval dient als Vergleich – sexy Kostüme und Grenzverschiebungen gebe es schließlich dort auch.

Deutlich widerspricht dem die transidente YouTuberin PersiaX in einem sogenannten Reaction-Video. In diesem auf YouTube verbreiteten Format kommentiert eine Person ein bestehendes Video – meist kritisch oder analytisch. PersiaX nutzt es, um Finessis Aussagen Schritt für Schritt zu sezieren.

Nicht Kink an sich sei das Problem, sondern seine Kontextlosigkeit in der Öffentlichkeit – besonders vor Kindern. Sichtbarkeit, so PersiaX, brauche Grenzen.

Ich habe an sich nichts gegen Puppy Player oder Kink. Aber dass es vor Kindern ausgelebt wird, ist ein Problem.

Ein fünfjähriges Kind lache nicht, weil es die Situation verstehe, sondern weil es sie nicht einordnen könne. Zustimmung durch Lachen sei kein Beweis für Harmlosigkeit, sondern für kognitive Überforderung.

Konsens ist das Zauberwort überall – außer, wenn es um Kinder geht?

Diese Frage trifft den Nerv der Debatte. Wenn der politische Diskurs auf Konsens beruht, endet er dort, wo er nicht eingeholt werden kann.

Auch Finessis Behauptung, Puppy Play sei bloß ein „Outfit“, kontert PersiaX klar:

Puppy Play ist kein Kostüm. Es ist ein Rollenspiel mit Dom/Sub-Dynamik.

Mit scharfer, aber differenzierter Kritik zeigt PersiaX: Sichtbarkeit darf nicht schrankenlos sein – und schon gar nicht dort, wo Kinder anwesend sind.

Wenn Sichtbarkeit zur Selbstzerstörung wird

Unbehagen gegenüber einem entgrenzten Queeraktivismus ist längst keine Randerscheinung mehr – auch unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen. Weltweit haben sich Initiativen wie LGB Alliance, The Lesbian Project, Gays against Groomers, Just Gay und Einzelpersonen wie die Grünen-Politikerin Faika El-Nagashi, die transidenten YouTuber Blaire White, Buck Angel und Rose of Dawn formiert, die sich offen gegen diese Entwicklungen stellen. Unterschiedlich in Herkunft und Haltung, eint sie die Kritik an einer Identitätspolitik, die jede Grenze tilgt und jede Kritik als Rückschritt diffamiert.

Besonders perfide ist die Abwertung innergemeinschaftlicher Kritik als „internalisierte Homofeindlichkeit“ oder „Pick-Me-Verhalten“. Dabei zeigen Bandbreite und Ernsthaftigkeit der Positionen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine wachsende Gegenbewegung innerhalb der Community.

Ein Beispiel dafür ist ein Facebook-Kommentar von Eric Fuchs zu Jeff Mannes’ Siegessäule-Kolumne über Kink auf dem CSD. Fuchs schreibt:

Nicht alles, was sichtbar sein darf, muss überall sichtbar sein. Und nicht alles, was Teil unserer Geschichte ist, muss unreflektiert in jeder Form repräsentiert werden.

Fuchs fordert keine Verbote, sondern plädiert für Kontextsensibilität – aus Respekt vor Vielfalt. Sichtbarkeit, so sein Credo, sei kein Selbstzweck, sondern ein politisches Mittel, das sich an den Bedürfnissen derer orientieren müsse, für die es gemacht ist.

Prompt wird ihm Prüderie unterstellt – ein gängiger Reflex in heutigen Diskursen. Fuchs antwortet nüchtern:

Nicht alles, was Grenzen reflektiert, ist Angst vor Sexualität – manchmal ist es einfach Respekt vor Vielfalt.

Sein Beitrag steht exemplarisch für eine Kritik, die nicht von außen kommt, sondern aus der Mitte – und die aufzeigt, dass Zugehörigkeit nicht durch schrankenlose Sichtbarkeit entsteht, sondern durch Räume, die für viele zugänglich bleiben.

Was bleibt vom Begriff der Emanzipation?

Die queere Fetischpolitik erhebt Sichtbarkeit zum höchsten Gut – und verliert darüber jene Prinzipien, die schwullesbische Emanzipation einst stark machten: rechtliche Gleichstellung, soziale Anerkennung, Schutzräume. Was heute als Provokation gefeiert wird, war früher politische Notwendigkeit – geboren aus Verfolgung, getragen von Solidarität.

Doch je schriller die Performance, desto leiser die Frage: Für wen sprechen wir noch? Wer wird durch die neue Symbolpolitik ausgeschlossen? Wenn alles politisch ist, wird nichts mehr verhandelbar. Wenn Sichtbarkeit keinen Kontext kennt, ersetzt expressive Freiheit die demokratische Aushandlung. Was als Fortschritt gilt, wird so zum autoritären Dogma: Wer nicht jubelt, gilt als rückständig. Wollen wir wirklich, dass Pride zur Bühne sexueller Selbstinszenierung vor Kindern wird? Oder schaffen wir Räume, die Zugehörigkeit stärken – nicht überfordern?

Die Zukunft liegt nicht in schrankenloser Sichtbarkeit, sondern in Balance: zwischen Ausdruck und Verantwortung, Provokation und Rücksicht, Befreiung und Bindung. Sichtbarkeit muss Mittel bleiben – nicht Selbstzweck. Sie muss die Frage mitführen: Wen nehme ich mit? Und wem mute ich etwas zu?

Vielleicht beginnt echte Emanzipation genau hier:  Nicht im Recht, alles zu zeigen – sondern in der Freiheit, zu entscheiden: Wann, mit welchem Zweck, an welchem Ort und für wen.


William Black ist Musikwissenschaftler, Webentwickler, UX-Designer und Sprachlehrer. Er lebt in Frankfurt und beschäftigt sich mit queerer Kulturkritik sowie mit Migrations- und Identitätspolitik.


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