Joanne K. Rowling begeisterte die Welt mit dem Zauberlehrling Harry Potter, doch in den letzten Jahren machte sie vor allem Schlagzeilen mit ihren Positionen zur Transfrage. Sie streitet für die Relevanz des biologischen Geschlechts und kritisiert gar zu voreilige Gaben von Pubertätsblockern an Minderjährige. Während sich ihr Werk nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, ist sie unter vielen Queeren zur Persona non grata geworden.

31. Juli 2025 | Till Randolf Amelung
Joanne K. Rowling, vielen Menschen als Schöpferin der magischen Welten von Harry Potter bekannt, feiert heute ihren sechzigsten Geburtstag. Auch für viele Queers hatten die Harry-Potter-Bücher einen Kultstatus, oft waren sie gar eine Fluchtmöglichkeit aus einem Alltag, in dem man sich unverstanden fühlte. Doch seit ungefähr sechs Jahren polarisiert Rowling vor allem mit öffentlichen Äußerungen zur Transdebatte – womit sie Aufmerksamkeit auf bemerkenswerte Abgründe richtete. Und in queeren Kreisen zum Voldemort wurde. Sogar die jetzt erwachsenen Stars der Harry-Potter-Verfilmungen distanzierten sich deshalb von ihr. Es ist nicht übertrieben zu sagen: Rowling allein hat mit ihrer Prominenz und ihrem Geld den Siegeszug des Transaktivismus durchkreuzt.
Ikone in Schlammschlacht
Dabei hätte sich Rowling nicht in diese Schlammschlacht stürzen müssen. Sie hätte stattdessen weiter über den Dingen schwebend von ihrem auf Harry Potter begründeten Weltruhm zehren können. Doch indem sie Partei für die Rechte von biologischen Frauen und die körperliche Unversehrtheit von Minderjährigen ergriff, trat sie selbst von einem Sockel herunter. Nicht zuletzt haben die meisten Medien – national und international – die Hintergründe der Auseinandersetzungen, deren Teil Rowling wurde, zumeist unvollständig, wenn nicht gar falsch dargestellt. Anlässlich ihres runden Geburtstags ist es Zeit, dieser medialen Verzerrung etwas entgegenzusetzen.
Richtig viral ging die Aufregung erstmals 2019, als Rowling im Dezember mit einem Tweet im damals noch Twitter und heute X genannten Kurznachrichtendienst Steuerexpertin Maya Forstater unterstütze, deren Vertrag bei einer NGO aufgrund von genderkritischen Ansichten nicht verlängert wurde. Rowling schrieb damals: „Kleiden Sie sich, wie es Ihnen gefällt. Nennen Sie sich, wie Sie möchten. Schlafen Sie mit jedem einwilligenden Erwachsenen, der Sie haben möchte. Leben Sie Ihr bestes Leben in Frieden und Sicherheit. Aber Frauen aus ihrem Job drängen, weil sie behaupten, biologisches Geschlecht sei real? #IStandWithMaya #ThisIsNotADrill“
Dress however you please.
— J.K. Rowling (@jk_rowling) December 19, 2019
Call yourself whatever you like.
Sleep with any consenting adult who’ll have you.
Live your best life in peace and security.
But force women out of their jobs for stating that sex is real? #IStandWithMaya #ThisIsNotADrill
Biologisches Geschlecht vs. Self-ID
Kern dieser Auseinandersetzung war – und ist immer noch – wie mit einer Differenz zwischen Geschlechtsidentität und biologischem Geschlecht umgegangen werden sollte. TransaktivistInnen und ihre Verbündeten in queeren NGOs, der Wissenschaft sowie der Politik wollen, dass allein die Geschlechtsidentität maßgeblich dafür ist, welchem Geschlecht ein Mensch angehört. Das Schlagwort der Stunde war „Self-ID“ – also Selbstidentifikation als Grundlage der Geschlechtsbestimmung.
Dagegen formierte sich vor allem unter Frauen Widerstand, denn biologische körperliche Realität und damit verbundene gesellschaftspolitische Fragestellungen spielen bei Self-ID keine Rolle mehr. Für Frauen ist dies auch eine Sicherheitsfrage, denn wenn niemand mehr wissen will, was eine Frau ist, wie sollen Schutzräume für Frauen weiterhin gewährleistet bleiben?
Der Tweet zu Forstater blieb nicht Rowlings einziger zur Transfrage, es folgten weitere. Zum Beispiel ein ironischer Kommentar zu einem Artikel auf einem Portal für Entwicklungshilfe, der nicht von „Frauen“, sondern von „Menschen, die menstruieren“ schrieb. Jeder Tweet entfachte den Furor des transaktivistischen Lagers, doch dieser drückte sich nicht einfach nur in verärgerten Kommentaren aus, sondern oft mit Mord- und Vergewaltigungsandrohungen oder auch Doxxing – also dem Öffentlich machen von Wohnadressen.
‘People who menstruate.’ I’m sure there used to be a word for those people. Someone help me out. Wumben? Wimpund? Woomud?
— J.K. Rowling (@jk_rowling) June 6, 2020
Opinion: Creating a more equal post-COVID-19 world for people who menstruate https://t.co/cVpZxG7gaA
Rowlings Engagement platzte in Großbritannien mitten in politische Vorhaben, die Regelung für die Änderung des amtlich dokumentierten Geschlechtseintrags zu vereinfachen. Mit der Reform des Gender Recognition Act, der britischen Variante des Transsexuellengesetzes, sollte künftig jedweder Nachweis wie eine medizinische Diagnose als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das heißt, eine solche Änderung sollte allein auf der Basis der selbsterklärten Geschlechtsidentität ermöglicht werden.
Steigende Zahlen bei Teenagern
Parallel dazu gab es einen Anstieg unter biologisch weiblichen Teenagern, die Pubertätsblocker und Testosteron begehrten, um eine Geschlechtsangleichung an das männliche Geschlecht zu vollziehen. Diese Mädchen kamen alle in die damals landesweit einzigen Ambulanz in der Londoner Tavistock-Klinik, die vom nationalen Gesundheitsversorger NHS betrieben wird. Zunehmend wurde in der Öffentlichkeit Kritik laut, da diese jungen Patientinnen oftmals keine ausführliche psychotherapeutische Anamnese erhielten, sondern sofort in ihrer Geschlechtsidentität bestätigt wurden.
J. K. Rowling griff all diese Entwicklungen immer wieder in Tweets auf und verstärkte dadurch deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Im Juni 2020 veröffentlichte sie auf ihrer Website eine sehr persönliche Erklärung, in der sie ihre Positionen darlegte. Sie erläuterte darin nicht nur, dass ihr Geschlechtsdysphorie in der Pubertät selbst nicht fremd war, sondern auch ihre Erfahrungen mit einem gewalttätigen Ehemann und warum biologische Frauen Schutzräume für sich brauchen. In ihrer Erklärung würdigte sie zugleich die prekäre Situation von Transfrauen und positionierte sich jedoch gegen Geschlecht als etwas rein Selbstdefiniertes:
„Ich glaube, dass die Mehrheit der transidenten Menschen nicht nur keine Gefahr für andere darstellt, sondern aus all den von mir genannten Gründen verletzlich ist. Trans-Menschen brauchen und verdienen Schutz. Wie Frauen werden sie am ehesten von ihren Sexualpartnern getötet. Transfrauen, die in der Sexindustrie arbeiten, insbesondere farbige Transfrauen, sind besonders gefährdet. Wie jede andere Überlebende von häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen, die ich kenne, empfinde ich nichts als Mitgefühl und Solidarität mit Trans-Frauen, die von Männern missbraucht wurden.
Ich möchte also, dass Transfrauen sicher sind. Gleichzeitig möchte ich nicht, dass gebürtige Mädchen und Frauen weniger sicher sind. Wenn man die Türen von Badezimmern und Umkleidekabinen für jeden Mann öffnet, der sich für eine Frau hält oder fühlt – und, wie ich bereits sagte, können Bescheinigungen über die Bestätigung des Geschlechts jetzt ohne chirurgische Eingriffe oder Hormone ausgestellt werden – dann öffnet man die Tür für alle Männer, die eintreten wollen. Das ist die einfache Wahrheit.“
Autoritäre Transaktivistas
Rowling schilderte in ihrer Erklärung auch eindrücklich, wie autoritär und aggressiv sich Transaktivisten und ihre Allies gegenüber allen verhalten, die nicht auf ihrer Linie sind. Bereits ein versehentlich gesetzter „Like“ führte bei Rowling dazu, dass die transaktivistische Inquisition sich rührte und ihr erstmalig auf den Pelz rückte. Doch das war noch nichts gegen das, was losbrach, als sie sich tatsächlich mit Tweets in der Debatte positionierte. Rowling wurde überschüttet von einer Flut an Todes- und Vergewaltigungswünschen, an Beschimpfungen wie „Schlampe“, „Fotze“. Auch inszenierte Bücherverbrennungen gab es.
Endless death and rape threats, threats of loss of livelihood, employers targeted, physical harassment, family address posted online with picture of bomb-making manual aren't 'mean comments'. If you don't yet understand what happens to women who stand up on this issue, back off. https://t.co/qWTcGZML97
— J.K. Rowling (@jk_rowling) July 10, 2022
All dies erlebten, und erleben immer noch, vor allem andere Frauen, die sich kritisch äußern. Gerade deshalb erhielt Rowling auch eine überwältigende Menge an Zuspruch. Viele andere Betroffene ziehen sich aufgrund der Heftigkeit solcher transaktivistischen Reaktionen schnell wieder zurück, zumal es die vor Wut rasenden Aktivistas oftmals auf die soziale und wirtschaftliche Existenzvernichtung abgesehen haben. Nicht zuletzt mittels aufdringlicher Belagerung von ArbeitgeberInnen, KooperationspartnerInnen und Ähnlichem. Dieses Verhalten von Transaktivistas offenbart einen Abgrund an narzisstischer Kränkung und toxischer Männlichkeit.
Erst Rowlings Prominenz führte dazu, dass Medien berichteten. Obwohl viele Medien es nicht schafften, das widerliche Verhalten vieler Aktivistas im Netz als solches zu benennen, machten sich zunehmend mehr bislang unbeteiligte Menschen ein eigenes Bild. In Großbritannien drückt sich das mittlerweile in messbar sinkender Zustimmung in der Bevölkerung zu transaktivistischen Überzeugungen aus.
Wie sehr das aggressive transaktivistische Verhalten nicht dazu beigetragen hat, andere zu überzeugen, zeigte sich beispielsweise 2023 am Release des Games „Hogwarts Legacy“. Auch deutsche Transaktivistas wollten, dass das Spiel boykottiert wird und attackierten Gaming-Experten wie den als „Gronkh“ bekannten Erik Range, nachdem er ankündigte, „Hogwarts Legacy“ in einem Livestream zu spielen. Öffentlich-rechtliche Medien wie das ZDF griffen das Thema im Sinne der Transaktivistas auf, aber in den Kommentaren auf Sozialen Medien konnte man sehen, dass die Vorwürfe gegen Rowling die Fans entweder nicht interessierten oder aber sie der Autorin sogar zustimmten. Jedenfalls wurde „Hogwarts Legacy“ weltweit eines der jemals bestverkauften Games.
Joanne K. Rowling hält Kurs
Während Rowling 2020 noch versuchte, auch bei Transaktivistas um Verständnis für ihre Positionierung zu werben, hat sie dies fünf Jahre später aufgegeben. Mit klarem Kompass hält sie ihren Kurs und unterstützt nicht nur ideell, sondern auch finanziell neben vielem anderen Belange rund um Frauenschutz. 2022 gründete sie in Edinburgh mit „Beira’s Place“ ein Frauenhaus, dessen Zielgruppe ausschließlich biologische Frauen sind. Damit reagierte Rowling auf einen Bedarf, den bestehende, staatlich finanzierte Schutzeinrichtungen nicht mehr erfüllten. Doch Rowlings privat bezahlte Eigeninitiative war dem transaktivistischen Furor wieder nicht recht, aber inzwischen hat sich auch dieses Frauenhaus im schottischen Hilfesystem etabliert.
Ebenso finanziell unterstützt hat sie die Organisation For Women Scotland, die sich bis hoch zum britischen Supreme Court klagte, da die schottische Regierung das Gleichstellungsgesetz zur paritätischen Besetzung von Gremien so auslegte, dass unter „Geschlecht“ nicht nur biologische Frauen gemeint sind, sondern auch Transfrauen. Der Supreme Court urteilte vor Ostern, dass „Geschlecht“ im Gleichstellungsgesetz das biologische Geschlecht meint. Rowling kommentierte den Sieg im Kurznachrichtendienst X: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“ – dazu ein Selfie mit Zigarre und einem alkoholischen Getränk. Unzweifelhaft eine popkulturelle Referenz an den Charakter „Hannibal“ aus der TV-Serie „The A-Team“.
I love it when a plan comes together.#SupremeCourt #WomensRights pic.twitter.com/agOkWmhPgb
— J.K. Rowling (@jk_rowling) April 16, 2025
Mediale Verzerrungen
Doch Leonie Schöler, deutsche Historikerin und Kolumnistin beim Spiegel entrüstete sich in ihrer Kolumne am 9. Juli über Rowling:
„Da sitzt sie nun, die triumphierende Milliardärin, angefeuert in den Kommentaren von Leuten wie Elon Musk. Ausgerechnet die Frau, die mit »Harry Potter« eine Geschichte über den Kampf gegen Diskriminierung schrieb – über einen dunklen Magier namens Voldemort, der eine »reine« Zauberwelt schaffen wollte, in der nur zaubern darf, wer in die richtige Familie geboren wird.“
Allerdings blieb es nicht nur bei der Unmutsbekundung – die Frau Schöler im Sinne der Meinungsfreiheit so äußern kann, sondern wie so oft in den Medien verknüpfte es sich mit einer fehlerhaften Darstellung:
„Das Gericht entschied einstimmig, dass »Geschlecht« ausschließlich als das bei der Geburt zugewiesene biologische Geschlecht zu verstehen sei, was trans Personen vom Antidiskriminierungsschutz ausschließt.“
Das ist nachweislich falsch, denn das Gericht stellte klar, dass auch Transpersonen durch Antidiskriminierungsgesetze geschützt sind. Zudem empfahl es einen pragmatischen Umgang, sodass operativ angeglichene Transpersonen mit Passing weiterhin Toiletten und Umkleiden ihres Identitätsgeschlechts nutzen können.
Berechtigte Einwände
Während J. K. Rowling regelmäßig für Erregung im den Transaktivistas zugeneigten linksprogressiven Medienestablishment sorgt, zeigen die Entwicklungen der vergangenen fünf Jahre, dass Rowlings prominent vorgetragene Einwände berechtigt waren: Die umstrittene Ambulanz für geschlechtsdysphorische Kinder und Jugendliche musste als Konsequenz aus den im Cass-Report dokumentierten schwerwiegenden Behandlungsmängeln schließen. Kinder und Jugendliche wurden in ihrer Geschlechtsidentität bestätigt und mit Pubertätsblockern sowie gegengeschlechtlichen Hormonen behandelt, andere mögliche Ursachen für das Unbehagen mit dem biologischen Geschlecht fanden keine Berücksichtigung. Das sorgte für Fälle wie den von Keira Bell, die als junge Erwachsene detransitionierte und 2020 vor Gericht feststellen ließ, dass Minderjährige einem so experimentellen Ansatz nicht zustimmen könnten.
Ein britisches Selbstbestimmungsgesetz ist nie Realität geworden und ein schottischer Alleingang, vorangetrieben von Ex-Premier Nicola Sturgeon, wurde durch den Fall Isla Bryson vollständig diskreditiert. Bryson war ein wegen Vergewaltigung angeklagter biologischer Mann, der im Verlauf des Strafverfahrens eine weibliche Geschlechtsidentität äußerte und daher zunächst auch ohne körperliche Angleichung in eine Frauenhaftanstalt verlegt wurde. Die gesellschaftliche Entrüstung war so groß, dass sie schließlich für die Rückverlegung Brysons in ein Männergefängnis sorgte und Nicola Sturgeon das Amt als Premierministerin Schottlands kostete.
Inzwischen hat auch die Labour-Partei, die britische Version der Sozialdemokratie, sich von Self-ID verabschiedet – das Supreme-Court-Urteil wurde begrüßt – und die Erkenntnisse aus dem Cass-Report wurden ebenso anerkannt. Ende 2024 verlängerte Gesundheitsminister Wes Streeting (Labour) zudem ein noch unter der vorherigen Tory-Regierung erlassenes Verbot von Pubertätsblockern.
Diese Entwicklungen sind auch das Verdienst von J. K. Rowling, die den Themen die nötige Publicity erst verschafft hat. Wenn man also fragt, was Rowlings bedeutendste Lebensleistung ist, dann sollte man nicht nur ihr Opus Magnum „Harry Potter“ nennen, sondern auch ihre Standhaftigkeit, in einem verminten Thema eine unpopuläre Position zu beziehen – trotz Vergewaltigungs- und Mordphantasien ihrer Gegner. Diese Hexe kriegt ihr nicht verbrannt. Und das ist auch gut so. Alles Gute zum Geburtstag, liebe Joanne K. Rowling!
Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.
Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig! Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.