Eine neue Erhebung der Robert-Bosch-Stiftung attestiert im Vielfaltsbarometer 2025 eine sinkende Akzeptanz von Vielfalt in der deutschen Bevölkerung, davon betroffen ist auch die Kategorie „sexuelle Orientierung“. Ein genauerer Blick in die Daten offenbart, dass sich der Akzeptanzverlust vor allem bei Trans zeigt. Woran liegt das?

Fußgängerampel zeigt "rot", Symbolbild für Artikel "Vielfaltsbarometer 2025: Schwindende Sympathien für unsereins"
Stoppt die Akzeptanz von Vielfalt in Deutschland? (Foto von Kai Pilger auf Unsplash.)

21. September 2025 | Till Randolf Amelung

In Deutschland sinkt die Zustimmung zur Vielfalt – so lautet der Befund des Vielfaltbarometer 2025 der Robert-Bosch-Stiftung, die diese Erhebung nach 2019 zum zweiten Mal durchgeführt hat. Gemessen wurden die Akzeptanzwerte in den Vielfaltsdimensionen „Lebensalter“, „Behinderung“, „Geschlecht“, „sexuelle Orientierung“, „sozioökonomische Schwäche“, „ethnische Herkunft“, und „Religion“. Besonders deutlich fiel der Rückgang der Akzeptanz bei „ethnische Herkunft“ und „Religion“ aus.

Sinkende Akzeptanz im Vielfaltsbarometer 2025

Auch die Zustimmung für LGBTIQ ist rückläufig: Erreichte die Akzeptanz der Dimension „sexuelle Orientierung“ 2019 noch 77 von 100 Punkte, so sind es nun 69 Punkte. Sind die Deutschen etwa wieder schwulenfeindlicher geworden? Ein genauer Blick offenbart: Im Studiendesign der Robert-Bosch-Stiftung wurden unter „sexuelle Orientierung“ nicht nur Lesben, Schwule und Bisexuelle gefasst, sondern auch Transpersonen.

Insgesamt vier Fragen wurden zur Erhebung der Einstellungen in dieser Dimension gestellt. Zwei davon bezogen sich auf Trans – und vor allem hier ist die Entwicklung der rückläufigen Akzeptanz deutlich an den Zahlen abzulesen. Zur Aussage „Das Geschlecht zu ändern ist wider die Natur“, sagten 2025 laut Erhebung 23 Prozent der Befragten „Stimmt völlig“, „stimmt gar nicht“ 34 Prozent. Im Vergleich dazu antworteten 2019 auf die gleiche Frage 15 Prozent „stimmt völlig“, 54 Prozent „stimmt gar nicht“. Auch bei der Aussage „Transsexuelle Menschen sollten unter sich bleiben“ ging die komplette Verneinung dieser Aussage von 74 auf 56 Prozent zurück, während sie für „stimmt völlig“ von 7 auf 13 Prozent anstieg.

Rückgang vor allem bei Trans

Schaut man sich im Vergleich die beiden Aussagen zu Homosexualität an, ist die Veränderung beim Transteil im Kontrast bemerkenswert deutlich. Der Aussage „Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen“ stimmten zwölf Prozent der Befragten vollkommen zu, 2019 waren es noch zehn Prozent.  Dass Homosexuelle keine eigenen Kinder haben sollten, bejahte 2025 16 Prozent der Befragten, 2019 waren es noch 14 Prozent. Der Unterschied beträgt jeweils nur zwei Prozentpunkte. Ganz anders die beiden Aussagen zur Transthematik: Dort gibt es eine Differenz zwischen 2019 und 2025 von bis zu 18 Prozent!

Man fragt sich: Woran liegt es? Hierzu lohnt sich ein Blick in das vielbeachtete Buch „Triggerpunkte“ von Steffen Mau et al. aus dem Jahr 2023. Dort gingen der Soziologe und seine Mitarbeiter der Frage nach, ob und wie stark die deutsche Gesellschaft in ihren Ansichten polarisiert sei. Zur queeren Frage machten sie deutlich, dass vor allem die Einstellung zu gleichgeschlechtlicher Sexualität und Partnerschaften innerhalb weniger Jahrzehnte einen fundamentalen Wandel zum Positiven hin erfuhr.

Ende der stetigen Liberalisierung?

Während 1957 das Verfassungsgericht noch festhielt, dass der berüchtigte Paragraf 175, der gleichgeschlechtliche Sexualität schlechthin unter Strafe stellte, dies den „sittlichen Anschauungen des Volkes“ entsprach, so klingt das heute nicht nur befremdlich, sondern wäre sogar nach den Maßgaben der Europäischen Union diskriminierend. Mau et al. stellen fest: „Kein Zweifel: Zwischen uns und dem Urteil zum § 175 liegt eine Zeit intensiver gesellschaftlicher Liberalisierung, Durchlüftung und Entrigidisierung.“ Das gilt im Übrigen auch für Heteros, denn die Abschaffung des Kuppeleiparagrafen 1969 gehört ebenfalls zu dieser Liberalisierung.

In der Transfrage war die Entwicklung zur Liberalisierung lange spürbar, was auch die Ergebnisse des Vielfaltsbarometers von 2019 belegten. Steffen Mau und seine Mitautoren konstatierten 2023 ebenfalls, dass Transthemen trotz kontroverser Debatten um das Selbstbestimmungsgesetz kein Problem darstellten. Auch insgesamt fanden sie in ihrer Studie „eine sehr starke Akzeptanz von Menschen, die ihr Geschlecht gewechselt haben: 84 Prozent geben an, dass diese Menschen als ‚normal anerkannt werden sollten‘“. Das im November 2024 schließlich in Kraft getretene Gesetz ermöglicht die Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags auf Basis der reinen Selbsterklärung beim Standesamt. Ein Nachweis über die Berechtigung muss nicht mehr erbracht werden.

Doch gilt 2025 immer noch, dass diese Regelung keine Kontroverse darstellt? Immerhin hat seit Jahresbeginn der Fall einer rechtsextrem aktivistisch tätigen Person namens Marla-Svenja Liebich mehrfach Schlagzeilen gemacht. Dieser Fall zeigte, dass die Warnungen derjenigen berechtigt waren, die eine Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag ohne Überprüfung der individuellen Motivation für zu riskant hielten. In einer Umfrage der Zeit von August dieses Jahres wird nun erkennbar, dass die Zustimmung zum Selbstbestimmungsgesetz in der Bevölkerung abgenommen hat. Im Oktober 2022 fand eine knappe Mehrheit in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz noch okay, 2025 ist es nur noch ein Drittel.  Etwa vierzig Prozent lehnen dieses Gesetz mittlerweile ab.

Große Krisen verantwortliche Faktoren

Das „Vielfaltsbarometer“ der Robert-Bosch-Stiftung macht für den Rückgang der Akzeptanz in bestimmten Vielfaltsdimensionen vor allem folgendes verantwortlich:

„Die enge Taktung von Krisen ermüdet die Bevölkerung oder überfordert sie gar. Der ökonomische Abschwung schürt Verlustängste und führt zu Protektionismus gegenüber allen anderen, vor allem ‚dem Fremden. Die zunehmende Individualisierung und Sichtbarkeit einstiger Randgruppen hinterlassen bei manchen Menschen ein Unbehagen.“

Doch diese Diagnose kann die auffällige Verschlechterung bei der Akzeptanz von Transpersonen nicht plausibel erklären. Gerade das Selbstbestimmungsgesetz steht für etwas anderes – nämlich dem aktivistisch betriebene Etablierungsversuch eines neuen Weltbildes. In diesem Weltbild soll Geschlecht keine biologischen Grundlagen mehr haben, allein die Identität darf bestimmend sein. Ebenso wird die biologische Definition von Geschlecht angegriffen, die nach wie vor zwei biologische Geschlechter kennt, differenziert anhand der beiden Keimzellenarten Spermien und Eizellen. Zur Last gelegt wird dieser Definition von Geschlecht, dass sie Trans und Inter ausgrenze und pathologisiere. Daher soll sie durch ein anderes Modell, dem biologischen Geschlecht als Spektrum ersetzt werden.

Zwei Gameten vs. Spektrum

Doch das Spektrumsmodell ist in den Naturwissenschaften eine Außenseitermeinung, und viele in Wissenschaft und Medizin Tätige haben diese lange Zeit ignoriert. In Deutschland wird das Spektrumsmodell vor allem durch den in Merseburg tätigen Sexualwissenschaftler Heinz-Jürgen Voß vertreten, der seine Auffassungen auf einer Missinterpretation eines vielbeachteten Nature-Aufsatzes von Claire Ainsworth von 2015 aufbaut. Ainsworth wollte nicht die biologische Definition in Frage stellen, sondern eine wertschätzende Haltung zur Vielfalt in der äußerlichen Erscheinung vermitteln. Den Anspruch moralischer Richtigkeit hat sich das Spektrumsmodell vor allem durch gezieltes Protegieren durch die Politik erworben, als sie queere Anliegen und damit den Transaktivismus ab 2013 mit wesentlich mehr Steuergeldern zu füttern begann.

Es ist freilich nichts gegen ein neues Modell einzuwenden, wenn dieses tatsächlich zu besseren, weil präziseren Forschungsergebnissen führt. Als 2022 ein abgesagter Vortrag der Biologiedoktorandin Marie-Luise Vollbrecht bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin die Kontroverse um die wissenschaftliche Geschlechterdefinition die Kontroverse einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte, wurde deutlich, dass das Spektrumsmodell nur aktivistische Relevanz hat. Rüdiger Krahe, Vollbrechts Doktorvater, sagte damals gegenüber der Berliner Zeitung, dass die Zweigeschlechtlichkeit unter Evolutionsbiologen vollkommen unstrittig sei und so auch an der HU gelehrt werde.

Überspannung durch fragwürdige Weltbilder

Das queeraktivistische Aufdrängen fragwürdiger Weltbilder bleibt nicht unbemerkt und entsprechend darf man auch eine Äußerung des Mainzer Historikers Andreas Rödder einordnen, die er Anfang September gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung tätigte:

„Aus einer Emanzipationsbewegung für bestimmte Lebensformen ist ein Modell für die staatliche Umgestaltung der Gesellschaft geworden. Diese Überspannung ist das Problem, nicht die Toleranz, die dem Ganzen zugrunde liegt.“

Damit provozierte Rödder entrüstete Reaktionen aus der queeren Aktivistenbubble, zum Beispiel in Person von Nora Eckert, die sie auf queer.de erregt und ad hominem zum Besten gab:

„Andreas Rödder hat sich wieder einmal zu Wort gemeldet. Und wenn er das tut, ist das stets von der Art, bei der ich mich frage, wie so jemand Professor werden konnte. Denn kritisches Denken mit wissenschaftlichem Anspruch schließt bekanntlich selbstkritisches mit ein. Außer windschiefen Argumenten haben wir von dem bekennenden Konservativen und Verteidiger einer deutschen Leitkultur à la Union, an der er eine Zeitlang mitgestrickt hat, noch nichts wirklich Vernünftiges gehört – zumindest, wenn es die queere Community betrifft.“

Bereits Mau et al. hatten 2023 in „Triggerpunkte“ Themen identifiziert, die dafür sorgten, dass eher mit Abwehr auf Queer reagiert wurde: eines davon war geschlechtersensible Schreibweisen mit dem Genderstern, ein anderes das Verwenden neuer Begriffe, die sich nicht ohne Weiteres erklären und Angst vor Fehlern und Fettnäpfchen produzierten. Gerade der Genderstern steht für das oben skizzierte Weltbild des Spektrumsmodells. Für eine deutliche Mehrzahl in der deutschen Bevölkerung ist das Sternchen zusammen mit dem gesprochenen Glottisschlag ein Symbol für dieses Geschlechtermodell und damit eine Umerziehung, die dem gesunden Menschenverstand zuwiderläuft. Ein Umstand, den Mau et al. leider in ihrer ansonsten sehr lesenswerten Studie vor allem als Reaktion auf Verunsicherung von Handlungsroutinen deuten wollen.

Auffällig ist, dass das biologische Geschlecht von Transpersonen lange kein anstößiges Thema in der Gesellschaft war – bis zu dem Moment, als queerer Aktivismus die Definition vom biologischen Geschlecht angegriffen hat. Das zeigte sich 2023 sowohl bei Mau et al. als auch im Vielfaltsbarometer von 2019. So hat der Umgestaltungsversuch erst dem jetzt spürbaren Backlash Vorschub geleistet. Statt wie noch zuvor vorsichtig-distanzierte und neugierige Aufgeschlossenheit, vergrößert sich jetzt die Ablehnung gegenüber Transpersonen. Womöglich ist diese Entwicklung aktuell nicht mehr schnell zu ändern, man sollte diese aber nicht weiter befeuern, indem man der Bevölkerung wissenschaftlich nicht haltbare Weltbilder immer noch einpauken will.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.


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