In Rostock wird der schwule Gastronom und langjährige Dienstleister Andreas Szabó vom CSD-Veranstalter geschasst, weil er sich in der Rostocker Bürgerschaft bei einer Abstimmung um das Gendersternchen enthalten hat. Ihm wird vorgeworfen, keine Solidarität mit vulnerablen Gruppen gezeigt zu haben. Dieser Vorfall zeigt exemplarisch die Probleme im aktuellen queeren Aktivismus.

Viele bunte Zuckersternchen - Symbolbild für Artikel CSD Rostock: Ideologischer Dogmatismus schadet der queeren Bewegung
Gendersternchen – sind bei Weitem nicht so beliebt wie Sternchen in Zuckerform (Foto von Alexander Grey auf Unsplash).

5. März 2025 | Till Randolf Amelung

„Vielfalt“ ist im progressiven Spektrum und besonders in der queeren Community ein gern genutztes Wort. Doch während Vielfalt bei Prideflaggen, Pronomen und Identitäten erwünscht ist, so gilt dies nicht für Meinungen. Das wurde erst kürzlich wieder in Rostock demonstriert: Dort hat der CSD Rostock e.V. den schwulen Gastronom Andreas Szabó als Dienstleister ausgeschlossen, nachdem dieser sich als Mitglied der Bürgerschaft der Hansestadt in einer Abstimmung zum Gendersternchen enthalten hatte.

Abstimmung über Gendersternchen

Die Rostocker Stadtverwaltung hatte 2024 einen „Leitfaden für gendersensible und wertschätzende Kommunikation“ erstellt, der Angestellten die Nutzung des Gendersternchens nahelegt. Doch dagegen gibt es vor allem von AfD und CDU-Widerstand, die die Nutzung im offiziellen Schriftgebraucht ablehnen. In der Folge gab es in der Bürgerschaft Diskussionen und Abstimmungen. Die Bürgerschaftsmitglieder votierten im Januar schließlich mit 24 zu 22 Stimmen für die Vermeidung von Sonderzeichen zum Gendern in öffentlichen Schriftstücken.

Andreas Szabó, der neben seiner Gastronomen-Tätigkeit für die FDP Mitglied der Rostocker Bürgerschaft ist, enthielt sich bei der Abstimmung. Das aber nimmt ihm nun der Rostocker CSD-Verein übel und schließt Szabó als Dienstleister für den Ausschank beim CSD in der Hansestadt für 2025 aus. Auf Instagram begründet der Verein seine Entscheidung so: „Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender des CSD Rostock und als Besitzer des bsiebens sind mit seiner Wahl zum Mitglied der Rostocker Bürgerschaft gewisse Erwartungen verbunden.“

Zu diesen Erwartungen gehörte offenbar, sich in Abstimmungen unbedingt für das Gendersternchen einzusetzen. Doch Szabó sagte gegenüber dem Nordkurier, dass niemand aus der queeren Szene vorher auf ihn zugegangen sei, um mit ihm über das Thema zu sprechen. Dabei ist Szabó gar nicht generell gegen gendersensible Sprache, sondern lediglich skeptisch bezüglich der Alltagstauglichkeit des Gendersternchens für Personengruppen wie Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Enthaltung passt queeren Ideologen nicht

Doch so viel Differenzierung erlaubt das queerideologische Drehbuch nicht. Es gibt keine Gnade, wenn man nicht zu 100 Prozent auf Linie ist. Ganz egal, ob es sich dabei wie bei Szabó um einen langjährigen Dienstleister und verdienstvollen Engagierten für LGBTI in Rostock handelt, der auch mehrere Jahre selbst im Vorstand des CSD-Vereins mitgewirkt hat. Für den aktuellen Vorstand des CSD Rostock e.V. aber, ist Szabós Enthaltung ein Zeichen mangelnder Solidarität mit vulnerablen Gruppen. Einige radikale queere Aktivisten haben das sogar als Anlass genommen und Außenwände von Szabós Lokal beschmiert.

Hier wird in nuce die Verlogenheit der queeren Vielfalt sichtbar, denn selbstredend gilt „Solidarität mit vulnerablen Gruppen“ nur für einen selbst, aber nicht für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder anderen, für die das Gendersternchen eine Hürde beim Erschließen von Texten darstellt. Zudem ist es in vielen Teilen der Bevölkerung eine der am wenigsten akzeptierten Varianten beim gendersensiblen Sprachgebrauch – auch in Rostock.

Statt von allen ideologischen Kadavergehorsam zu verlangen, wären Dialog- und Kompromissbereitschaft nötig. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt und wer ausschließlich die eigenen speziellen Befindlichkeiten in den Vordergrund stellt, ohne sich für die von anderen auch nur im Entferntesten zu interessieren, wird dafür früher oder später abgestraft. Diese Form von Aktivismus, bei der eine kleine Minderheit die Mehrheit ideologisch erziehen will, hat sich in einer sehr unguten Weise vom früheren Spirit der Bewegung entfernt und wird ganz sicher nicht dabei helfen, Akzeptanz zu erhöhen.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.


Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig!  Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.