Zum 151. Geburtstag Magnus Hirschfelds am 14. Mai 2019

#QueerLivesMatter

Seit 2006 engagiert sich die Initiative Queer Nations (IQN) entschlossen für Forschen, Nachdenken und Streiten über und für nicht-heterosexuelles Leben in Deutschland, Europa und darüber hinaus. So wie Magnus Hirschfeld, das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee und das Institut für Sexualwissenschaft wollen wir Debatten über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt für die LSBTI*-Communities und über sie hinaus, für ein interessiertes Publikum überhaupt fruchtbar machen.

Deswegen setzen wir uns ein für die Errichtung des Queeren Kulturhauses Elberskirchen Hirschfeld im Herzen Berlins, das solchen Debatten und Auseinandersetzungen ein Forum bietet. Mit diesem Antrieb haben wir 2005, unabhängig von Parteigrenzen oder weltanschaulichen Differenzen, den Impuls für die Einrichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gesetzt – und dieser erfolgreich zur Etablierung verhelfen können. Und deswegen kommt es uns darauf an, unterschiedliche, auch widerstreitende Meinungen miteinander ins Gespräch zu bringen – auch und gerade in der Auseinandersetzung mit ‚queeren‘ Ansätzen. Das Spektrum reicht dabei von der Sorge, dass die Belange von weißen und cis-geschlechtlichen lesbischen Frauen und schwulen Männern im ‚queeren‘ Feld nicht mehr repräsentiert werden, über Plädoyers für eine Verflüssigung der Geschlechtergrenzen und eine Vervielfältigung nicht-heteronormativer Selbstentwürfe, bis zu antirassistischen und nonsexistischen Positionen. Diese Bandbreite kontroverser Perspektiven spiegeln auch die von IQN veranstalteten Queer Lectures und das von IQN herausgegebenen Jahrbuch Sexualitäten.

IQN integriert bewusst ein breites Feld erwünscht widerstreitender Meinungen und ermöglicht offene Dialoge mit gegenseitigem Respekt. Alle, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, sind uns willkommene Gesprächspartner*innen. Und die Konflikte, die auf diesem Boden ausgetragen werden, sind uns willkommener Gesprächsstoff. Im Kampf gegen Ausgrenzung und für Akzeptanz ist diese Vielfalt kein Hindernis, sondern ein Vorzug, eine Stärke. Nur gemeinsam, nur im solidarischen Mit- und Nebeneinander von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans*, intersexuellen Menschen und allen, die sich für diese Vielfalt einsetzen, können wir die „Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher sexueller Identität“ voranbringen, wie es die IQN-Satzung fordert.

Die Bereitschaft zur Kontroverse und der Mut, für den eigenen Standpunkt vehement zu streiten, zeichnen LSBTI* Bewegungen (und ihre heterosexuell orientierten Freund*innen) seit jeher aus: im Ringen um sexuelle Emanzipation wie im bürgerrechtlichen Streben nach Gleichstellung und der Freiheit, das eigene Sein ohne Angst vor Missachtung, Diskriminierung und Verfolgung leben zu können. Die Anerkennung der Vielfalt unserer Standpunkte befähigt uns dazu, den fortwährenden Streit mit einer heterosexuell geprägten Mehrheitsgesellschaft auszufechten. Wir werden diese Fähigkeit keinesfalls zugunsten von einengenden Sprechmustern und Denkzwängen, welcher Prägung auch immer, preisgeben. Trotz bürgerrechtlicher Errungenschaften werden nicht-heterosexuelle Menschen weiterhin häufig als deviant kategorisiert. Das zeigt nicht zuletzt die aktuelle Auseinandersetzung um das sogenannte Transsexuellengesetz. Einmal mehr versucht der Staat, Bürger*innen in ein bevormundendes Korsett zu drängen, welches faktisch die heteronormative Matrix zementiert, anstatt sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und Uneindeutigkeit zu ermöglichen.

Auch gegen (rechts-)populistische, neofaschistische und religiös-fundamentalistische Kräfte, die unsere Rechte, ja unsere schiere Existenz negieren, müssen wir uns gemeinsam zur Wehr setzen. Schon lange war es nicht mehr so wichtig wie jetzt, ‚queerer‘ Forschung, Bildung und Kultur zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Jene, die Differenz und das Prinzip der Freiheit nicht anerkennen, jene, die diffamieren und diskriminieren, dürfen in unserer Gesellschaft nicht den Ton angeben. Es bedarf einer starken, gemeinschaftlichen Stimme, um den Grenzverschiebungen entgegenzutreten, die den Diskurs nach rechts treiben wollen.

Dieser Kampf gegen Ausgrenzung und für Akzeptanz darf sich nicht darauf beschränken, auf CSDs sowie an Mahn- und Gedenktagen Vielfalt zu zeigen und in ritualisierter Form zum Widerstand gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aufzurufen. Für unsere Anliegen und Freiheiten müssen wir jeden Tag eintreten, in alltäglichen Gesprächen ebenso wie in unserer publizistischen, wissenschaftlichen, kulturellen, politischen und sozialen Arbeit. So verschieden wir sind, so verschieden sind unsere Herangehensweisen. Das Ziel eint uns: eine Gesellschaft, die Minderheiten schützt und die Vielfalt von Lebensentwürfen anerkennt. Jederzeit. Überall.

Der Vorstand der Initiative Queer Nations e.V.