Ein Leitfaden des Deutschen Sauna-Bunds sorgt für Aufregung
Seit dem 1. November 2024 ist in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Der Deutsche Sauna-Bund hat zum Jahresende einen kurzen Leitfaden veröffentlicht, wie Saunabetriebe mit dem Zutritt zu geschlechtsspezifischen Angeboten – zum Beispiel Frauensauna – umgehen sollten. Das Schriftstück bekam viel Aufmerksamkeit – vor allem von transaktivistischer Seite.
9. Januar 2025 | Till Randolf Amelung
Wahrscheinlich war es unabsichtlich die beste PR-Maßnahme eines Verbands: Der Deutsche Sauna-Bund, der bis vor Kurzem wohl nur Brancheninsidern ein Begriff war, sorgte mit einem am 27. Dezember 2024 veröffentlichten Leitfaden zum Umgang mit dem Selbstbestimmungsgesetz bundesweit für Schlagzeilen. In diesem Leitfaden erhalten Mitgliedsbetriebe Empfehlungen, wie unter dem Selbstbestimmungsgesetz mit Gästen umgegangen werden soll, die geschlechtsspezifische Angebote und Sanitäreinrichtungen nutzen wollen, aber augenscheinlich nicht dazu passen.
Primäres Geschlechtsmerkmal entscheidend
In dem knapp gehaltenen Text heißt es, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags keine automatische Zugangsberechtigung zu anderen geschlechtsspezifischen Bereichen bedeute. Weiter wird festgehalten: „Zum Eintritt in diese, insbesondere auch die Frauensauna, sind nur Personen berechtigt, deren primäre Geschlechtsmerkmale entsprechend sind. Der Eintrag des Geschlechts beim Standesamt und/oder im Reisepass sind nicht entscheidend.“
Eine erste Filterfunktion hat hierbei die Kassenkraft, die „nach Sichtkontrolle des Erscheinungsbildes“ über den Zutritt entscheidet und sich bei Zweifeln den Ausweis vorlegen lassen soll. Ebenso wird der Hinweis gegeben, dass für den geschlechtsspezifischen Bereich das primäre Geschlechtsmerkmal, also das Genital entscheidend ist. Um Missverständnisse auszuräumen habe ein Gast die Möglichkeit, freiwillig sein Genital zu zeigen, er solle aber nicht dazu aufgefordert werden.
Transaktivistin beklagt Ausgrenzung
Während viele Kritikerinnen und Kritiker des Selbstbestimmungsgesetzes diesen Leitfaden begrüßen, schreien Transaktivisten Zeter und Mordio. Auch der LSVD*-Verband Queere Vielfalt hat am 7. Januar 2025 dazu eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin beklagt das Vorstandsmitglied und Transaktivistin Julia Monro: „Trotz ausführlicher Klarstellungen in der Gesetzesbegründung wird hier eine Debatte angestachelt, die nur eine Spaltung zur Folge haben kann. Ein demokratisches Miteinander würde hingegen bedeuten, sich um Lösungen zu bemühen, wie allen Menschen in ihrer Vielfalt die Teilhabe für ein Angebot ermöglicht werden kann. Stattdessen wird eine Minderheit weiter ausgegrenzt, die sich ohnehin in vielen Lebenslagen immer wieder beweisen muss.“
Man könnte den Eindruck gewinnen, als gäbe es in Deutschland nur geschlechtshomogene Saunaangebote. Doch genauso wie Frauenschwimmtage sind es einzelne Zeiten oder Tage, an denen die meisten Saunen nur Frauen oder Männer reinlassen. Die meisten Zeiten sind für alle Geschlechter offen. Was also wäre so schlimm daran, an einem Unisex-Tag die Sauna zu nutzen, wenn man die Zutrittskriterien für das geschlechtsspezifische Angebot nicht erfüllt?
Transpersonen unter Generalverdacht?
Monro beklagt weiter: „Der Leitfaden stellt trans* Menschen unter einen Generalverdacht und zementiert Vorstellungen von Rollenbildern, wie Menschen geschlechtsspezifisch auszusehen haben. Diese Rollenbilder erfassen die gelebte gesellschaftliche Vielfalt nicht. Zudem ist es unklar, nach welchen Kriterien eine nicht-binäre Person am Erscheinungsbild identifiziert werden soll. Der Leitfaden drängt Sauna-Personal und Besucher*innen in ein ethisches Dilemma und wird auch cis Personen treffen, die nicht den heteronormativen Vorstellungen des Personals entsprechen.“
Geschlechtsmerkmale sind oft sehr aussagekräftig, unabhängig davon, was für eine Geschlechtsrolle jemand lebt. In den allermeisten Fällen können wir Menschen, denen wir auf der Straße begegnen, schon auf den ersten Blick geschlechtlich verorten – mit korrektem Ergebnis – und tun das auch unbewusst. Der Leitfaden des Sauna-Bunds spricht im Übrigen nicht von Rollenbildern, sondern von Geschlechtsmerkmalen. Für nicht-binäre Personen stellt sich die Frage, warum jemand, der sich keinem Geschlecht zuordnen will, dann doch ein geschlechtsspezifisches Angebot nutzen möchte.
Der Leitfaden wird von Julia Monro gar auf eine Ebene mit den „Bathroom Bills“ in den USA gestellt, die gesetzlich bestimmten, dass Transpersonen die geschlechtsspezifischen Einrichtungen für ihr biologisches Geschlecht zu nutzen haben. „Diese erste deutsche Bathroom Bill darf nicht zu einer politischen Hetzjagd gegen trans* Personen wie in den USA werden. Wir appellieren an Politik und Gesellschaft, der Verantwortung nachzukommen, Minderheiten zu schützen“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Respekt auch für Bedürfnisse von Frauen
In der Alltagspraxis aber wird es auf das äußere Passing ankommen, also wie gut man als Transperson von anderen Menschen entsprechend der Geschlechtsidentität wahrgenommen wird. Warum will man in einen geschlechtsspezifischen Bereich, wenn nicht mal annähernd ein Passing vorhanden ist?
Es ist zu respektieren, dass gerade Frauen geschlechtsspezifische Angebote wünschen, die penisfrei sind. Für einige Frauen, zum Beispiel religiöse Muslima, ist dies gar eine notwendige Bedingung. Der Deutsche Sauna-Bund hat seinen Mitgliedsbetrieben nun eine praktische Orientierungshilfe an die Hand gegeben, um solche Angebote weiter aufrechterhalten zu können.
Wer eine politische Hetzjagd verhindern will, sollte auch als Transaktivistin einen Beitrag dazu leisten und nicht nur die eigenen Befindlichkeiten sehen, sondern auch die Bedürfnisse anderer achten. Vielleicht sind ein Leitfaden wie dieser oder sogar die „Bathroom Bills“ ja auch eine Reaktion auf den aktivistischen Versuch, ein radikales Geschlechterbild in der ganzen Gesellschaft durchboxen zu wollen, in dem die Biologie überhaupt nichts mehr zu sagen hat? Auch darüber könnten Aktivistinnen wie Monro mal nachdenken.
Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Autor veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien, zum Beispiel der Jungle World. Ebenso veröffentlicht er in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN. 2020 gab er im Querverlag den Sammelband Irrwege – Analysen aktueller queerer Politik heraus. 2022 erschien sein Essay Transaktivismus gegen Radikalfeminismus. Gedanken zu einer Front im digitalen Kulturkampf.
Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig! Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.