Nach mehreren umstrittenen Fällen mit trans- und intergeschlechtlichen Athletinnen im Frauensport haben mehrere Welt-Spitzenverbände Gentests eingeführt. Nur, wer vor einem Wettkampf nachweisen kann, auch biologisch weiblich zu sein, darf in der Frauenkategorie starten. Das mag einzelne Sportschickale benachteiligen, aber für die Bewahrung des Frauensports insgesamt ist dies eine notwendige Maßnahme.

Ein Sanitäter nimmt mit einem Wattestäbchen einen Wangenabstrich von einer Frau, Symbolbild für Artikel "Gentests für die Integrität des Frauensports – Richtig so!"
Der Wangenabstrich zur Entnahme einer DNA-Probe ist ein unkomplizierter Vorgang (Foto: US-Marine von Mass Communication Specialist 2nd Class Michael Starkey, Quelle: Wikimedia).

24. Oktober 2025 | Jan Feddersen

Am Samstag um 10 Uhr am Vormittag beginnt im österreichischen Sölden die alpine Skisaison mit dem Riesenslalom der Frauen. Wer favorisiert ist, wer sich besonders gut präpariert zu haben scheint für die nachfolgenden olympischen Winterspiele im Februar 2026 in den italienischen Alpen, ist nicht Gegenstand dieses Textes. Im Mittelpunkt steht der Internationale Skiverband FIS, der – wie zuvor die Spitzenverbände der Leichtathletik und des Boxens – Gentests für seine Sportlerinnen eingeführt hat: Mit ihnen soll verhindert werden, dass Frauen, die biologisch eigentlich männlich sind, an einem biologischen Frauen vorbehaltenen Wettkampf teilnehmen.

Gentests gegen Schummeleien

Der Gentest wird durch einen Wangenabstrich diskret und unkompliziert durchgeführt – für alle Athletinnen, die neulich in Tokio bei der Leichtathletik-WM antreten wollten, war diese genetische Prüfung obligatorisch. Auch Sportlerinnen aus Ländern, in denen solche Tests verboten sind, in Frankreich etwa, mussten diese Prozedur durchlaufen, ihnen wurde der Test jenseits ihrer Heimatländer abgenommen. Konkrete Beschwerden gab es keine, prinzipielle indes viele. Dazu später mehr.

Die Tests wurden nötig, weil es in vielen Sportarten, in denen es auf muskuläre Kraft und physiologische Kondition ankommt, zu schummelartigen Auffälligkeiten gekommen war: Frauen haben durchschnittlich einfach weniger Kraft als Männer, ihre physiologischen Grundbedingungen sind denen biologisch männlicher Sportler unterlegen.

Veränderte körperliche Ausgangslage durch Intersex

Der prominenteste Fall: Die südafrikanische Mittelstrecklerin Caster Semenya etwa, olympische Goldmedaillengewinnerin in London 2012, stellte sich bei DNA-Nachprüfungen als genetisch im Vergleich mit ‚normalen’ Frauen bevorteilt heraus. Sie war mit einer genetischen Anomalie geboren worden, das im weitesten Sinne zum Spektrum der Intersexualität zu zählen ist. Konkret hieß das sportlich: Sie, die als Frau aufgewachsen ist und seit langem mit einer Frau zusammenlebt, war – für den Frauensport allen überlegen, im Männersport hingegen hätte sie nicht mithalten können. Semenya hat inzwischen ihre Laufbahn beendet, nachdem sie jahrelang versucht hat, gegen Auflagen wie testosterondämpfende Medikamente vorzugehen.

Caster Semenya und viele ihrer FreundInnen in ihrem Heimatland wie in aller Welt behaupteten, die Prüfungen des Genprofils der Sportlerin verdankten sich auch rassistischen oder antilesbischen Erwägungen – aber das ist durch keine relevante Aussage belegbar. Bei ihr ging es nur darum, dass sie mit genetisch viel besseren Ausgangsbedingungen ausgestattet sei. Historisch ähnelte sie den Schwestern Press aus der damaligen Sowjetunion. Sie waren olympisch erfolgreich in den sechziger Jahren; und sie traten kurz vor der ersten Einführung von Gentests zurück. Das war in einer Zeit, ehe die gruselige Ära der pharmakologischen Manipulationen (Doping) von SportlerInnen begann.

Testosteron macht den Unterschied

Dass einige internationale Sportverbände nun diese Gentests durchführen lassen, ist ein Fortschritt: Intersexuelle Athletinnen oder Transathletinnen, die biologisch immer männlich bleiben werden, sind Frauen gegenüber bevorteilt. Im Schwimmen ist dies skandalisiert worden am Beispiel der Transfrau Lia Thomas, die im Collegesport alle dominierte – woraufhin sich Konkurrentinnen beschwerten und teils gegen sie nicht mehr antreten wollten. Thomas, unter Männern chancenlos, irgendetwas zu gewinnen, nahm zwar am Beginn ihrer Transition testosterondämpfende Medikamente ein, zehrte körperlich jedoch immer noch von einer männlichen Pubertät – sie war also ausgerüstet mit einer männlichen Muskelstruktur und einer männlichen Physiologie.

Transaktivistas machten um den Fall viel Geschrei – richtig war ihre Behauptung insofern, dass Thomas diskriminiert würde. Aber, dies muss wohl einmal nüchtern ausgesprochen werden, nicht jede Diskriminierung ist eine menschenverachtende. Denn in diesem Fall schützt sie eben Frauen vor körperlich noch weitgehend virilisierten, also männlichen Rivalen – und seien sie Trans oder Inter.

Der Fall Thomas hat den Internationalen Schwimmverband bewogen, seine Wettkampfrichtlinien zu ändern. Transfrauen dürften an Frauenwettbewerben teilnehmen, sofern sie ihre körperliche Transition mit dem zwölften Lebensjahr abgeschlossen haben – also vor der Pubertät, die in ihren Fällen eine männliche gewesen wäre. Als Alternative etablierte der Verband bei einigen Wettbewerben eine offene Kategorie für alle Geschlechter und damit auch für Transpersonen – aber niemand wollte und will offenbar an ihnen teilnehmen.

Boxverband führt ebenfalls Gentests ein

Der Boxverband hingegen hat vor seiner jüngsten WM in Liverpool Gentests eingeführt. Nicht an dem Turnier teilgenommen hatte die Algerierin Imane Khelif, die in ihrer Gewichtsklasse beim Olympischen Turnier 2024 in Paris auf dem Weg zur Goldmedaille alle Konkurrentinnen wegdrosch, die sich ihr in den Weg stellten. Das Olympiaturnier sah indes noch keine Gentests vor – deshalb konnte Khelif siegen. In Liverpool trat sie nicht an – und es steht zu vermuten, dass die Athletin, der bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, aber physiologisch männlich geprägt ist, nie wieder bei einem Frauenturnier boxen wird.

Einer der prominentesten Fälle eines geschlechtlichen Missverständnisses war der der Österreicherin Erika Schinegger: 1966 gewann sie bei der WM in Portillo (Chile) den Abfahrtslauf der Frauen. Vor den Olympischen Winterspielen 1968 im französischen Grenoble musste sie sich einem medizinischen Test unterziehen, wie alle Athletinnen damals. Bei diesem stellte sich heraus, dass Schinegger über männliche Geschlechtsmerkmale verfügt, diese aber nach innen gewachsen waren – ein sehr seltener Fall von Anomalie. Die Österreicherin bzw. der Österreicher musste diese vollkommen unerwartete Wendung im Leben erst einmal verkraften.

Der Weltmeistertitel von 1966 blieb ihm, aber die damals Zweitplatzierte Französin Marielle Goitschel bekam rückwirkend ebenfalls Gold zugesprochen. Wohl um reinen Tisch zu machen wollte Schinegger seine WM-Goldmedaille 1988 Goitschel überreichen, sie lehnte dies jedoch ab.Schinegger fand später in ein Leben als Mann, hat geheiratet und Kinder bekommen. Obwohl er leistungsmäßig auch bei den Männern hätte mithalten können, kam sein Umfeld mit der Wendung um sein Geschlecht nicht klar, und so war die Sportlerkarriere beendet.

Biologische Realität vs. Inklusionswünsche

Aktuell gibt es, besonders in Deutschland, auch Kritik an den Gentests. Die Olympiasiegerin im Weitspringen von 2021, Malaika Mihambo sagte:

„Ein einzelner Gentest klingt nach einer klaren Lösung, ist aber wissenschaftlich verkürzt und blendet aus, dass Geschlecht kein simples Entweder-oder ist. Faire Wettbewerbsbedingungen bestehen aus vielen Faktoren – medizinischen, psychologischen, strukturellen. Wer hier unter Zeitdruck handelt, riskiert, die eigentlichen Gefahren für die Integrität des Sports zu vernachlässigen.“

Das ist schön gesagt, es klingt nach Gerechtigkeitswünschen und Inklusionssehnsucht. Doch selbst der von Anderen geäußerte Hinweis, dass Australiens Schwimmheld Ian Thorpe oder sein US-Konkurrent Michael Phelps über außerordentliche Physiognomien, etwa besonders große Hände, verfügten, verkennt, dass biologische Frauen niemals in Kraft- und Ausdauerdisziplinen mit männlichen Körpern konkurrieren können. Deshalb gibt es Frauensport – und auch dieser musste seit dem frühen 20. Jahrhundert den patriarchalen Verhältnissen abgetrotzt werden. Die Verflüssigung der Geschlechtsverständnisse zum Zweck der Inklusion von Trans und Inter mit biologisch männlicher Pubertät im Hintergrund würde zur Abschaffung des Frauensports führen.

Nebenbei, bzw. doch auch wesentlich: Transfrauen, die in Teamsportarten in Frauschaften (sorry: Frauenteams) antreten, sind ihren biologischen Kolleginnen körperlich überlegen. In den USA haben die Republikaner Donald Trumps eben dies zurecht skandalisiert. Dass Transfrauen in einem faktischen Männerkörper zu einer Gefahr für biologischen Frauen werden – Teamsportarten sind ja meist Kontaktsportarten: Beim Tackling haben Frauen gegen erst nach der Pubertät transitionierte Transfrauen keine Chance.

Dennoch liegt auch Frau Mihambo richtig: Sport hat auch etwas Ungerechtes. Ihre im Badischen angesiedelten Trainingsbedingungen sind nicht die gleichen wie die von Frauen in, sagen wir Burma oder Paraguay. Frauen führen in ökonomisch schwächeren Ländern auch nicht ein so vergleichsweises privilegiertes Leben wie Mihambo. Aber wichtiger für mich ist: Selbst, wenn die Gentests nicht der Weisheit allerletzter Schluss sein sollten, so sind sie ein praktisches Instrument zur Eindämmung von Ungerechtigkeit, denen biologische Frauen im Vergleich mit Personen, die eine biologisch männliche Pubertät durchlaufen haben, ausgesetzt sind. Will sagen: Mögliche Diskriminierungen sind quasi einzupreisen, um die Plausibilität des Ganzen – eben Frauensport – zu bewahren.


Jan Feddersen ist Gründungsvorstand der Initiative Queer Nations und Redakteur für besondere Aufgaben bei der taz.


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