Bekannte rechtsextremistische Person sorgt mit Geschlechtsänderung für Aufregung

Marla-Svenja Liebich, eine rechtsextremistische Person aus Halle, hat das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch genommen. Es wird bezweifelt, ob tatsächlich eine Geschlechtsdysphorie den Ausschlag dafür gab. Der Fall entfacht erneut Diskussionen, wie sicher das neue Gesetz vor Menschen mit missbräuchlichen Absichten schützt.

Selbstbestimmungsgesetz: Ab wie vielen Einzelfällen gibt es ein Problem? Bild von katemangostar auf Freepik

18. Januar 2025 | Till Randolf Amelung

Das Selbstbestimmungsgesetz, welches die Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags regelt, ist erst 2,5 Monate alt, und schon werden die transaktivistischen Überzeugungen, auf denen es fußt, schwer erschüttert. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes kann man Vornamen und Geschlechtseintrag mit einem Formular und dreimonatiger Wartezeit und gegen eine schlappe Gebühr von höchstens 60 Euro auf dem Standesamt ändern lassen.

Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt die vorherigen Regelungen für Transpersonen und intergeschlechtliche Personen – erstere brauchten ein Verfahren beim Amtsgericht mit zwei Sachverständigengutachte, letztere ein ärztliches Attest und einen Gang zum Standesamt. Nun entfallen solche Auflagen. Es hieß immer – sowohl von TransaktivistInnen als auch ihren Allies aus der nun zerbrochenen Ampel-Koalition –, niemand würde eine voraussetzungslose Änderung missbrauchen. Transsein sei zu marginalisiert, als dass sich wirklich jemand ohne Not dem Diskriminierungsrisiko aussetzen würde.

Marla-Svenja Liebich nutzt Selbstbestimmungsgesetz

Doch am 14. Januar 2025 wurde ein Fall bekannt, der an dieser Überzeugung Zweifel aufkommen lässt. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete zuerst über eine bekannte rechtsextremistische Person aus Halle, die mithilfe des Selbstbestimmungsgesetzes ihren Namen zu „Marla-Svenja“ und ihren Geschlechtseintrag zu „weiblich“ ändern ließ. Gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung habe sich Liebich zu dem vorgenommenen Wechsel nicht äußern wollen – aus Angst vor Diskriminierung, wie die Person selbst angab. Die Journalisten hätten Liebich auf einem Firmengelände in Halle-Ost angetroffen. „Mit Vollbart und Basecap, in Jeans und Pullover“ sei die Person gut zu erkennen gewesen.

Liebich selbst ist für Provokationen bekannt. Diese Person ist seit Jahrzehnten in der rechtsextremistischen Szene in Halle aktiv, meldete u.a. Demonstrationen an und betrieb einen Onlineshop. Ein Produkt im Sortiment war z.B. ein Baseballschläger mit der Aufschrift „Abschiebehelfer“.  Derzeit laufen gegen die Person mehrere Strafverfahren, unter anderem wegen Volksverhetzung und übler Nachrede. Im vergangenen August wurde Liebich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt, wogegen Revision eingelegt wurde, die noch nicht abgeschlossen ist.

Queerfeindliche Hetze

Liebich ist in der Vergangenheit auch mit Hetze gegen LGBT aufgefallen. 2022 störte die Person beispielsweise den CSD Halle und rief Teilnehmenden zu: „Ihr seid Parasiten dieser Gesellschaft!“  Diese Person Liebich möchte jetzt als Frau behandelt werden. Bereits Ende 2024 ließ Liebich beim zuständigen Standesamt in Schkeuditz Personenstand und Vornamen über das Selbstbestimmungsgesetz ändern. Wie erwähnt galt auch für diese Person: Diese Änderung ist an keine weiteren Voraussetzungen gebunden, lediglich eine Erklärung muss abgegeben werden, dass der gewählte Vorname und Geschlechtseintrag der Geschlechtsidentität am besten entspreche.

Es herrschen einhellig Zweifel daran, ob bei Liebich tatsächlich eine tiefempfundene Geschlechtsdysphorie der Anlass für diesen Schritt war. Doch das ist irrelevant, denn immerhin fragt das Selbstbestimmungsgesetz nicht nach so einer Voraussetzung. In Paragraf 1 dieses Gesetzes heißt es: „Ziel dieses Gesetzes ist es, die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen zu lösen und die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu stärken“. Jede Bürgerin, jeder Bürger dieses Landes kann mit ihrer Volljährigkeit einmal jährlich auf dem Standesamt diese Änderung vollziehen. Liebich handelte also vollkommen gesetzeskonform.

Herausforderung für den Rechtsstaat

Doch was könnte eine Person wie Liebich dazu motiviert haben? Einer Haftstrafe kann man sich auf diese Weise nicht entziehen, aber über einen geänderten Geschlechtseintrag zu „weiblich“ lässt sich eine Unterbringung in einer Frauen-Justizvollzugsanstalt einfordern. Dieser Forderung muss nicht zwingend stattgegeben werden, aber mittels Einlegens von Rechtsmitteln kann sich der Haftantritt zumindest so lange verzögern, bis geklärt ist, ob Liebich die Haftstrafe in einer JVA für Frauen oder für Männer verbüßen müsste.

Das Selbstbestimmungsgesetz bietet aber noch eine weitere interessante Möglichkeit, den Rechtsstaat auf Trab zu halten: das strafbewährte Offenbarungsverbot regelt, dass der alte Vorname und Geschlechtseintrag nicht gegen den Willen der betreffenden Person offenbart werden darf. Im Falle eines Verstoßes kann ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro drohen. Liebich hat bereits signalisiert, von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Die Bild-Zeitung berichtete, Liebich wolle alle verklagen, die diese Person als „Mann“ bezeichnen. In einem Bericht des Tagesspiegel heißt es, ein entsprechendes Anwaltsschreiben liege bereits vor.

Liebich wird sicherlich einige Möglichkeiten finden, den Rechtstaat am Nasenring durch die Manege zu ziehen – beispielsweise durch das Stellen von Anträgen, Dienstaufsichtsbeschwerden und Ähnlichem. Künftig könnte auf diese Weise so mancher Sachverhalt zur Abwägung zwischen der Geschlechtsidentität und dem biologischen Geschlecht die Gerichte beschäftigen. Für Transpersonen besteht das Risiko, dass einiges, was der Transaktivismus in den vergangenen 15 Jahren erreicht hat, wieder zurückgenommen wird – soll heißen: der Geschlechtsidentität nicht mehr ohne Weiteres der Vorrang eingeräumt wird.

Weiterer Fall aus rechtsextremer Szene bekannt

Dies ist nicht der einzige Fall aus dem rechtsextremen Spektrum, wo das Selbstbestimmungsgesetz als Vehikel zum Triezen des ihnen verhassten Staates benutzt werden könnte. Bereits im Dezember berichtete IQN über den bayrischen AfD-nahen Aktivisten Johannes Normann, der auf dem Kurznachrichtendienst X sein ausgefülltes Formular für eine Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem Selbstbestimmungsgesetz postete. Auch er will damit die Justizbehörden zum Narren halten. Offenbar haben die ArchitektInnen des Selbstbestimmungsgesetzes nicht auf dem Schirm haben wollen, dass es Personengruppen gibt, die diesen Staat ablehnen und jede Möglichkeit bereit sind zu nutzen, um ihn vorzuführen.

KritikerInnen des Selbstbestimmungsgesetzes haben von Anfang an davor gewarnt, dass eine voraussetzungslose Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag Probleme wie dieses schaffen könnte. Dazu gehört auch die CDU/CSU. Deren Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz sagte gegenüber Welt, die Ampel habe einen großen Fehler gemacht und sie sei „erstaunt“, wie schnell ein solcher Fall eingetreten sei, vor dem sie immer gewarnt habe, was aber niemand habe hören wollen. Lindholz sagte ebenfalls, dass die Ampel auch Trans-Personen keinen Gefallen getan habe, wenn die Akzeptanz in der Gesellschaft letztlich sinke und der Personenstand ad absurdum geführt werde. Die CDU/CSU hat in ihrem Wahlprogramm bereits verkündet, dass Selbstbestimmungsgesetz in dieser Form nicht belassen zu wollen und dafür heftige Kritik von queeren AktivistInnen einstecken müssen.

Transaktivisten halten unerschütterlich an Self-ID fest

Im queeren Aktivismus ist man nach Kräften bemüht, daran festzuhalten, dass das Selbstbestimmungsgesetz eine richtige Sache war. Im Szenemedium queer.de etwa spielt man das Missbrauchspotenzial des Selbstbestimmungsgesetz sogar in einem Bericht über die Causa Liebich herunter, indem man Parallelen zu abstrus anmutenden Argumenten gegen die „Ehe für alle“ zieht.

Noch hanebüchener ist allerdings ein ebenfalls auf queer.de veröffentlichter Kommentar von Gabriel_Nox König, die Person ist zuständig für die Pressearbeit beim Bundesverband Trans*. Darin gibt König im Wesentlichen den KritikerInnen, die vor Missbrauchsmöglichkeiten warnten, die Schuld daran, dass jemand wie Liebich auf die Idee kommt, das Selbstbestimmungsgesetz zu nutzen.

In Königs Kommentar heißt es: „Wenn sich herausstellen sollte, dass die Vornamens- und Personenstandsänderung Liebichs ein PR-Stunt ist, wäre es besser gewesen, den Raum, den die Medien dieser Änderung einordnen, bei einer Fußnote zu belassen.“ Soll übersetzt heißen: Medien sollen doch bitte nichts berichten, was die transideologische Verblendung erschüttern könnte. Das klingt wie: „Nur, weil immer wieder auf die Gurtpflicht hingewiesen wird, sterben Menschen bei Autounfällen, die sich nicht angeschnallt haben!“

Auch wenn es TransaktivistInnen und ihre Verbündeten noch nicht einsehen wollen: Das Selbstbestimmungsgesetz war ein gehöriger Schuss in den Ofen. Je früher seine Fehler bezüglich der fehlenden Nachweispflicht über die Berechtigung der Motive der antragstellenden Person korrigiert werden, desto besser. Auch für die weitere Entwicklung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Transpersonen.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Autor veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien, zum Beispiel der Jungle World. Ebenso veröffentlicht er in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN. 2020 gab er im Querverlag den Sammelband Irrwege – Analysen aktueller queerer Politik heraus. 2022 erschien sein Essay Transaktivismus gegen Radikalfeminismus. Gedanken zu einer Front im digitalen Kulturkampf. 2023 war er auf Einladung der CDU/CSU Sachverständiger im Familienausschuss des Bundestags, die Stellungnahme ist online einsehbar.


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