In Großbritannien warf ein Untersuchungsbericht der öffentlich-rechtlichen BBC vor, dass ihre Berichterstattung zu bestimmten Themen verzerrt sei – darunter auch zu Genderfragen, also zum Thema „Trans“. Dem Publikum wurden kritische Aspekte rund um dieses Themenfeld oft vorenthalten. Wie ein aktueller Spiegel-Artikel zeigt, ist die BBC keine Ausnahme. Auch in Deutschland fehlt den öffentlich-rechtlichen Medien ein angemessen differenzierter journalistischer Umgang mit „Trans“.

Screenshot von BBC News, Symbolbild für Artikel "Trans: Wenn Öffentlich-Rechtliche Medien sich mit Aktivisten gemein machen"
Blick in das Nachrichtenstudio der BBC: Hier wurde oft zu einseitig über „Trans“ berichtet (Foto von ThisisEngineering auf Unsplash).

15. November 2025 | Till Randolf Amelung

Anfang November machte ein geleakter Untersuchungsbericht der BBC, verfasst vom unabhängigen Berater Michael Prescott, Schlagzeilen. Die Vorwürfe gegen das britische Pendant des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wogen schwer: Berichterstattung zu bestimmten Themen sei verzerrt worden – d.h. unangemessen einseitig ausgefallen. Betroffen sei laut Bericht insbesondere Berichterstattung zu US-Präsident Donald Trump, dem Gaza-Krieg und zur Transfrage. Als Konsequenz aus diesen Vorwürfen traten in der BBC Generaldirektor Tim Davie, und Deborah Turness, die Leiterin von BBC News, von ihren Posten zurück.

Negative Aspekte zu Trans weggelassen

Speziell zum Thema „Trans“ beschrieb Prescott gegenüber der konservativen Tageszeitung The Telegraph die Lage in der BBC so:

„Die Geschichte, die mir jede Person erzählte, klang effektiv nach einer Zensur durch die Fachredaktion für LGBTIQ-Themen innerhalb der Nachrichtenredaktion.“

Außerdem bemerkte er selbst beim Anschauen der Beiträge folgendes:

„Mir ist aufgefallen, dass Berichte, die schwierige Fragen zur Transgender-Agenda aufwarfen, von der BBC nicht behandelt wurden – selbst, wenn sie anderswo ausführlich behandelt wurden.“

Ein Beispiel für ignorierte Entwicklungen rund um „Trans“, sind die Leaks aus einem internen Austauschforum der World Professional Association for Transgender Health im März 2024. Diese Leaks offenbarten schwerwiegende Mängel hinsichtlich der Qualität der Betreuung von Kindern mit Geschlechtsidentitätsstörungen und wie riskant experimentell der affirmative Ansatz mit Pubertätsblockern eigentlich ist.

Kein Cass-Report in der ARD

Doch die BBC ist mit solch einer Voreingenommenheit bei der Transfrage kein Einzelfall. Auch in Deutschland gibt es bei diesem Thema eine seltsame Schlagseite in den Medien mit insgesamt linksliberaler Ausrichtung, vor allem bei ARD und ZDF. Während die BBC beispielsweise immerhin noch über die bahnbrechende Bedeutung des Cass-Reports berichtete, der schließlich der Pubertätsblockade – faktisch eine chemische Kastration – als Mittel der ersten Wahl ein Ende setzte, suchte man Berichte beispielsweise in der deutschen ARD vergeblich.

Die weitgehende Vermeidung negativer Aspekte beim Thema „Transkinder“ in deutschen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ist kein Hirngespinst rechtspopulistischer Kreise, wie nun ein Beitrag im aktuellen Spiegel aufzeigt. Dieser Text beschäftigt sich mit dem Eklat um die Absetzung der Journalistin Julia Ruhs vom kontrovers diskutierten Format „Klar“. Teil der Entstehungsgeschichte dieses Formats im NDR ist laut Spiegel folgende Erfahrung des „Klar“-Schöpfers und NDR-Redakteurs Thomas Berbner:

„Im Sommer 2023 wird in der ARD darüber diskutiert, eine Dokumentation über die steigende Zahl von Jugendlichen zu drehen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. An der Schalte nehmen unter anderem Berbner teil, Julia Ruhs und ein Redakteur des Bayerischen Rundfunks. Die Idee ist, sich in dem Film mit den Risiken auseinanderzusetzen, die es mit sich bringt, die sogenannte Geschlechtsdysphorie schon in jungen Jahren mit Hormonen oder gar chirurgischen Eingriffen zu behandeln. Es ist ein Thema, das politisch und emotional enorm aufgeladen ist und viele Menschen bewegt. Zum Ärger von Berbner und Ruhs wird die Idee in den ARD-Gremien abgelehnt. “

Für Personen, die dieses Thema seit einigen Jahren intensiv verfolgen – darunter auch ich – war es nicht nachvollziehbar, wie sehr die Kritik am gender-affirmativen Ansatz im Ausland von deutschen Medien und insbesondere den Öffentlich-Rechtlichen ignoriert wurde. Stattdessen dominieren möglichst positive Porträts von Betroffenen die Berichterstattung – wenn über Prozesse einer Geschlechtsangleichung bei Minderjährigen berichtet wird. Von der zunehmend komplexen und auch kontroversen Debatte in internationalen medizinischen Fachkreisen erfährt man in diesen Medienberichten hingegen kaum etwas.

 Selbstbestimmungsgesetz – nur Positives, bitte

Von den gleichen Problemen ist im Öffentlich-Rechtlichen auch die Berichterstattung zum Selbstbestimmungsgesetz geprägt – bis heute. Lediglich die Kontroverse um Rechtsextremist Marla-Svenja (Sven) Liebich konnte nicht ignoriert werden. Doch man bemühte sich, dies mit Kommentaren für das Selbstbestimmungsgesetz wieder zu glätten. Auch während das Gesetz sich noch in den Mühlen der politischen Verfahren befand, fehlte in der Berichterstattung eine fundierte Auseinandersetzung mit Kritik am Gesetz. Stattdessen durfte ein inzwischen ehemaliger Mitarbeiter in der „Faktenfinder“-Redaktion der ARD-„Tageschau“ noch 2023 in diesem Format einen Artikel veröffentlichen, der jede Kritik am Selbstbestimmungsgesetz als „transfeindlich“ beschmierte. Texte wie diese trugen und tragen nicht unerheblich dazu bei, das Format des „Faktenchecks“ als Mogelpackung erscheinen zu lassen und damit für viele Menschen zu diskreditieren.

Warum werden beim Themenfeld „Trans“ eigentlich alle journalistischen Standards missachtet? Eine Erklärung könnte im vergangenen Umgang mit Homosexuellen sowie auch der Aidskrise liegen – so manche Berichterstattung musste sich in der Tat die Frage gefallen lassen, ob sie nicht dem Ressentiment schlechthin zuarbeitet. In Bezug auf „Trans“ ist es selbstverständlich wünschenswert, nicht die gleichen Fehler zu machen, aber darunter darf nicht der Umgang mit der komplexen Wirklichkeit leiden.

Journalistische Standards nicht zu finden

Wer nicht hinter dem Mond lebt, hat längst mitbekommen, dass bei Minderjährigen eine frühzeitige affirmative Medikalisierung mit Pubertätsblockern Risiken birgt. Und Geschlechtsdysphorie ein Symptom ist, das bei unterschiedlichen Gruppen auftreten kann – und für die wenigsten ist ein zügiger Einsatz von Medikamenten und später chirurgischen Eingriffen das Richtige. Dazu zählen beispielsweise Teenager mit einer sich entwickelnden homosexuellen Orientierung oder biologische Mädchen mit Pubertätskrisen. Im Ausland mehren sich Berichte über früh Behandelte, die als junge Erwachsene die irreversiblen Schritte bitterlich bereuen und mit den gesundheitlichen Folgeproblemen für den Rest ihres Lebens klarkommen müssen. Darüber muss auch im Öffentlich-Rechtlichen differenziert berichtet werden können.

Auch die eklatanten Schwächen des Selbstbestimmungsgesetzes lassen sich nicht verbergen. Zuletzt berichtete der öffentlich-rechtliche WDR immerhin über Vorwürfe gegen einen Polizeibeamten in Düsseldorf, dem vorgeworfen wird, die Änderung des Geschlechtseintrags von männlich zu weiblich nur für schnellere Beförderungen vorgenommen zu haben. Eine systematische Auseinandersetzung mit den Schwächen des Gesetzes bleibt jedoch verhalten. Spannung verspricht in dieser Hinsicht übrigens auch das neue Wehrpflichtmodell mit der verpflichtenden Musterung. Werden in den kommenden Jahren viele junge Männer die Möglichkeiten des Selbstbestimmungsgesetzes entdecken? Und: Wird man im Öffentlich-Rechtlichen dann endlich journalistisch angemessen mit diesem Gesetz umgehen?

Öffentlich-Rechtliche Medien schwächen sich selbst

Mit der in Dauerschleife zu hörenden Floskel „Man muss sich mit Kritik zurückhalten, weil sie nur den Rechten nützt“ wird man diesem Problem nicht begegnen können. Das Publikum ist nicht plötzlich unkritisch gegenüber Geschlechtsangleichungen von Minderjährigen oder dem Selbstbestimmungsgesetz, nur weil man die erwünschten Narrative unermüdlich wiederholt. Eher im Gegenteil: Das wirkt unangenehm volkserzieherisch und führt dazu, Publikum dauerhaft zu verlieren. Längst gibt es Konkurrenz in Form sogenannter alternativer Medien und populistischer Krawallmacher wie Julian Reichelts Portal Nius. Wenn vor allem auf solchen Plattformen die Aspekte angesprochen werden, die im Öffentlich-Rechtlichen bewusst unter den Tisch fallen, braucht man sich über den Vertrauensverlust nicht zu wundern.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.


Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig!  Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.