Am 1. Mai 2025 wurde ein von US-Präsident Trump angeordneter Untersuchungsbericht veröffentlicht, der die gender-affirmativen Behandlungen als „unsicher“ einstuft. Trotz der politischen Erwünschtheit seiner Ergebnisse, müssen die Inhalte des Berichts ernst genommen werden. Es wird deutlich, wohin es führt, wenn Ideologie und nicht Evidenz das Handeln in der Medizin leitet.

Blick auf verschneites Gebirge, im Vordergrund ein Warnschild, auf dem vor steilen Abhängen gewarnt wird. Symbolbild für: USA: Report kritisiert gender-affirmative Behandlungen von Kindern und Jugendlichen
Vor steilem Gelände und Absturzgefahr muss auch beim gender-affirmativen Behandlungsmodell gewarnt werden! (Foto von Greg Rosenke auf Unsplash.)

4. Mai 2025 | Till Randolf Amelung

Auch in den USA tobt die Auseinandersetzung darüber, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgehen soll, die mit ihrem biologischen Geschlecht hadern. Zugleich hat sich besonders in den USA der gender-affirmative Ansatz breit etabliert – nicht nur in Medizin und Psychotherapie, sondern auch im Bildungswesen. Dieser Ansatz beruht auf einer schnellen Bestätigung der geäußerten Identität, auch mit medizinischen Mitteln wie Medikamenten zur Pubertätsblockade. US-Präsident Donald Trump erließ gleich mit seinem Amtsantritt im Januar Dekrete, die auf mehreren Feldern die staatliche Unterstützung für den gender-affirmativen Ansatz zurückgenommen haben.

Teil der Trumpschen Dekrete war auch eine angeordnete Untersuchung, deren Ergebnisse nun am 1. Mai vom Gesundheitsministerium veröffentlicht wurden. Auf knapp 400 Seiten legt ein bislang anonym bleibendes Autorenteam dar, warum das gender-affirmative Vorgehen bei Jugendlichen auf einer unzureichenden Erkenntnisgrundlage beruht. Unzureichend deshalb, weil Langzeitrisiken nicht ausreichend geklärt sind.

Report trotz fragwürdigem Gesundheitsminister ernst nehmen

Obwohl Robert F. Kennedy Jr. das Gesundheitsministerium leitet, dem jede fachliche Eignung dafür fehlt, sind die Inhalte des Reports bemerkenswert. Diese fügen sich in bereits bekannte Ergebnisse aus europäischen Ländern ein, die als Konsequenz die Reißleine zogen und sich wieder vom gender-affirmativen Modell verabschiedet haben. In Großbritannien wurden Pubertätsblocker sogar verboten. Mutmaßlich konnten die Republikaner für diesen Report versierte Fachleute beauftragen, die aus den Reihen, der auch unter Medizinern wachsenden Opposition gegen den gender-affirmativen Ansatz stammen. Für die Reputation wäre es allerdings wünschenswert gewesen, dieser Report wäre bereits unter der Biden-Regierung erarbeitet worden.

Der Report beschreibt den Ist-Zustand, wie das gender-affirmative Modell in den USA angewandt wird und bewertet die Evidenzbasis für medizinische Eingriffe:

„Die Übersichtsarbeit ergab, dass die Qualität der Belege für die Auswirkungen einer Intervention auf psychologische Ergebnisse, Lebensqualität, Bedauern oder langfristige Gesundheit insgesamt sehr gering ist. Dies deutet darauf hin, dass die in der Literatur berichteten positiven Auswirkungen wahrscheinlich erheblich von den tatsächlichen Auswirkungen der Interventionen abweichen.“

Soll heißen: Die Studien, die positive Effekte der gender-affirmativen Behandlungen mit Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen behaupten, sind nicht von der höchsten Beweiskraft. Demgegenüber stehen erhebliche Risiken, die im Report benannt werden:

„Zu den Risiken der pädiatrischen medizinischen Transition gehören Unfruchtbarkeit/Sterilität, sexuelle Funktionsstörungen, Beeinträchtigung der Knochendichte, negative kognitive Auswirkungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen, psychiatrische Störungen, chirurgische Komplikationen und Reue.“

Gender-affirmatives Modell nicht sorgfältig genug

Die aufgezählten Risiken erfordern eigentlich eine hohe Sorgfalt, die aber offenbar im gender-affirmativen Modell nicht vorgesehen scheint. Im Report heißt es:

„Das ‚gender-affirmative‘ Versorgungsmodell, wie es in US-Kliniken praktiziert wird, zeichnet sich durch einen vom Kind geleiteten Prozess aus, bei dem umfassende Beurteilungen der psychischen Gesundheit oft minimiert oder weggelassen werden und die ‚Verkörperungsziele‘ des Patienten als primäre Richtschnur für Behandlungsentscheidungen dienen. In einigen der führenden pädiatrischen Gender-Kliniken des Landes werden die Untersuchungen in einer einzigen zweistündigen Sitzung durchgeführt.“

So verwundert es nicht, dass in den letzten fünf Jahre zunehmend mehr Betroffene als sogenannte Detransitionier die Öffentlichkeit suchen, die die gender-affirmativen Maßnahmen bereuen und nun mit irreversiblen Konsequenzen leben müssen. Einige strengen sogar Gerichtsprozesse wegen ärztlicher Kunstfehler an.

Im Report werden auch einige Whistleblower vorgestellt, die in Kliniken tätig waren, wo nach dem gender-affirmativen Modell gearbeitet wurde. Die zitierten Fallgeschichten sind haarsträubend und die Einleitung einer Transition ist mit „verantwortungslos“ noch milde umschrieben. Eine Whistleblowerin ist Jamie Reed, die vier Jahre im St. Louis Children’s Hospital tätig war und 2023 an die Öffentlichkeit ging. Reed hat während ihrer Tätigkeit begonnen, negative Fallgeschichten separat zu dokumentieren. Seitens ihres Arbeitsgebers habe es diesbezüglich kein Interesse gegeben. Reeds Warnungen, dass Transitionsbehandlungen für diese Patienten nicht geeignet sein könnten, seien abgewiesen worden.

Transitionen trotz Instabilität

Reeds Liste enthalte zum Beispiel eine Patientin, die Testosteron einnahm und ohne Rücksprache mit einem Arzt ihre Medikamente gegen Schizophrenie abgesetzt hatte, sowie einen weiteren Patienten, der unter visuellen und olfaktorischen Halluzinationen litt. Reed beschrieb auch eine jugendliche Frau aus einer instabilen Familie, die in einer unsicheren Lebenssituation lebte, in der Vergangenheit Drogen konsumiert hatte und im Alter von 16 Jahren Hormone erhielt, gefolgt von einer Mastektomie im Alter von 18 Jahren. Drei Monate später habe sie die Operation bereut und der Klinik mitgeteilt: „Ich möchte meine Brüste zurückhaben.“

Eine andere Whistleblowerin, die im Report erwähnt wird, ist die Psychologin Tamara Pietzke, die beim Gesundheitsdiensleister MultiCare in Tacoma arbeitete. Auch sie beschrieb Patienten mit erheblichen psychischen Begleiterkrankungen und komplizierten Lebensgeschichten, bei denen trotz dieser Umstände geschlechtsangleichende Behandlungen genehmigt wurden.

Ein Fall, der im Report ausführlicher zitiert wird, ist besonders extrem: Eine 13-jährige Jugendliche sei mit Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert worden. Sie habe in ihrer Kindheit Missbrauch, Vernachlässigung und sexuelle Gewalt erlebt. Laut Pietzke berichtete diese Patientin, dass Horror- und Pornofilme die einzigen Filme gewesen seien, die es in ihrem Haus gab. Die Patientin erzählte Pietzke außerdem, dass ihre Mutter Sodomie praktiziert habe.

In den Therapiesitzungen kommunizierte sie, indem sie Pietzke auf ihrem Handy sadistische und explizite pornografische Videos gezeigt habe. Bei der Patientin sei außerdem eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert worden, was möglicherweise zu ihren Kommunikationsschwierigkeiten beigetragen haben könnte. Pietzke beschrieb, dass das Mädchen in ihrem Alter zurückfiel, indem es Teletubbies geschaut und an einem Schnuller gelutscht habe. Der Mutter der Patientin sei die Fürsorge bereits entzogen worden.

Zusätzlich habe Pietzke festgestellt, dass ihre 13-jährige Patientin nie nach Testosteron gefragt hätte und in Gesprächen kein Verständnis für das Hormon und seine Wirkung zeigte. Dennoch habe die Genderklinik des Mary Bridge Children’s Hospital, das zur MultiCare-Gruppe gehört, der Teenagerin bei ihrem ersten Besuch die Verabreichung von Testosteron genehmigt. Die Klinik habe Pietzke aufgefordert, eine unterstützende Indikation auszustellen und die Patientin von jeglichen psychischen Kontraindikationen freizustellen. Pietzke habe dies abgelehnt und der Fall sei an das Risikomanagementteam des Krankenhauses weitergeleitet worden. Nachdem Pietzke auch dort keine Unterstützung für ihre Skepsis erhalten habe, habe sie die MultiCare-Gruppe verlassen.

Begriff „Geschlechtsidentität“ nicht evidenzbasiert

Wie ist es möglich, dass Kinder und Jugendliche trotz schwerwiegender Kontraindikationen auf den Pfad einer Transition gesetzt werden? Eine wichtige Ursache liegt in einem nicht evidenzbasierten und nicht klar definierten Verständnis von Geschlechtsidentität. Maßgeblich sind für die Verfechter des gender-affirmativen Modells die Behandlungsempfehlungen der WPATH. Diese definiert „Geschlechtsidentität“ wie folgt: „Das tief empfundene, innere, intrinsische Gefühl einer Person für ihr eigenes Geschlecht.“

Eine allein auf das subjektive Empfinden abgestellte Definition führt jedoch dazu, dass es gar keine hinreichend klare Definition von „Geschlechtsidentität“ gibt. Dies kritisiert der Report als ein ernstes Problem, da der Begriff eine zentrale Rolle in der Begründung für medizinische Eingriffe spielt.

Damit einhergehend wird oft behauptet, dass die Geschlechtsidentität angeboren oder in jungen Jahren festgelegt und daher nicht veränderbar sei. Transsein wird zu einem unveränderlichen Merkmal.  Ein „Transkind“ ist in diesem Rahmen ein Kind, dessen unveränderliche Geschlechtsidentität nicht mit seinem biologischen Geschlecht übereinstimmt. Eine therapeutische Ergründung der zugrunde liegenden Ursachen für das Unbehagen eines Kindes mit seinem geschlechtlichen Körper wird in dieser Begriffsvorstellung als „Konversionstherapie“ abgetan, als unethischer Versuch, das authentischen Selbst des Kindes umzupolen. „Geschlechtsidentität“ wird mit „sexueller Orientierung“ gleichgesetzt.

In dieses Horn trötet auch das deutsche Community-Medium queer.de und verbreitet unkritisch Behauptungen von LGBTI-Organisationen, „explorative Therapie“ sei ein neuer Name für „Konversionstherapie“, also ein Umpolungsversuch. Es ist Desinformation wie diese, die gerade weltweit erheblichen Schaden anrichtet und geschlechtsangleichende Maßnahmen vollständig zu diskreditieren droht.

Voreilige irreversible medizinische Eingriffe

Doch noch schwerwiegender ist, dass aufgrund solcher begrifflichen und ideologischen Fehlkonstruktionen eine Reihe junger Menschen voreilig irreversible Behandlungen erhalten. Eine sorgfältige therapeutische Exploration bewahrt aber nicht nur Menschen vor medizinischen Maßnahmen, die sie eigentlich nicht brauchen, sondern gibt auch denjenigen mehr Stabilität, die sie in Anspruch nehmen.

In der Zusammenfassung des Reports heißt es zu ethischen Erwägungen: „Der Grundsatz der Autonomie in der Medizin begründet ein moralisches und juristisches Recht mündiger Patienten, jegliche medizinische Intervention abzulehnen. Es gibt jedoch kein entsprechendes Recht, Eingriffe zu erhalten, die nicht von Nutzen sind. Die Achtung der Patientenautonomie hebt nicht die berufliche und ethische Verpflichtung des Arztes auf, die Gesundheit seiner Patienten zu schützen und zu fördern.“

Der umfangreiche US-Report reiht sich in die vielen Warnsignale ein, dass das gender-affirmative Modell ein riskanter Irrweg ist, der vor allem Kinder und Jugendliche gefährdet. In den USA hat dieser Irrweg dazu geführt, Trump und seinen rechtspopulistischen Republikanern eine perfekte Angriffsfläche für ihren Feldzug gegen „Wokeness“ zu bieten, der nicht nur einfach linksprogressive Auswüchse korrigiert, sondern selbst zum Exzess gegen Grundsätze liberaler Vernunft geworden ist.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.


Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig!  Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.