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Der Gesetzesentwurf, mit dem kaum jemand glücklich ist

Der Entwurf für Selbstbestimmungsgesetz wurde vom Bundeskabinett nach mehreren gescheiterten Anläufen auf den Weg gebracht. Vielen queeren Aktivist*innen geht das Gesetz nicht weit genug, sie fordern Nachbesserungen. Andere Kritiker*innen halten das Vorhaben gesellschaftspolitisch für zu früh, es fehle die mehrheitliche Billigung durch Liberal-Konservative.


Foto von Tingey Injury Law Firm auf Unsplash


August 2023 | Till Randolf Amelung

Mit Spannung richtete die queere Community am  Mittwoch vor einer Woche den Blick nach Berlin, ob es an diesem Tag zur Billigung des Entwurfs für ein Selbstbestimmungsgesetz durch das Bundeskabinett kommen würde. Nachdem zuvor viele Termine nicht gehalten wurden, hat es dieses Mal geklappt. Nun ist dieser Gesetzesentwurf, der das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ersetzen soll, bereit für den nächsten Schritt, der ersten Lesung im Bundestag.

 

Queere Kritik am Entwurf

Während sich die Ampel-Koalitionäre für ihre Arbeit selbst auf die Schulter klopfen, kommt aus der transaktivistischen und queeren Ecke teils heftige Kritik. So schreibt Janka Kluge, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti e.V.), auf X (vormals Twitter): „Heute ist ein bitterer Tag für mich. Seit Jahren setze ich mich öffentlich für das #Selbstbestimmungsgesetz ein. Heute wird der Gesetzesentwurf im Kabinett beraten und wahrscheinlich beschlossen. Den Entwurf lehne ich entschieden ab. Dafür habe ich mich nicht eingesetzt.“

Eine von Anne Wizorek, Netzfeministin der ersten Stunde, und Daniela Antons gestartete Petition mit dem Titel „Diskriminierung & Misstrauen raus aus dem Selbstbestimmungsgesetz!“ kritisiert ebenfalls, dass „Vorurteile, Hass und Hetze im aktuellen Gesetzesentwurf zementiert“ würden und fordert die Berücksichtigung der Einwände von Trans- und Interverbänden. Besonders kritisiert werden die Ermöglichung von Ausschlüssen über das Hausrecht und die Vertragsfreiheit, die dreimonatige Karenzzeit bis zum Wirksamwerden der Änderung, die Informationsweitergabe an Ermittlungsbehörden für deren Überprüfung ihrer Daten, die Aussetzung der Anwendung im Kriegsfall sowie der Ausschluss von Migranten ohne Bleibeperspektive. Außerdem fordern sie, dass eine Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags ohne Einschränkung bereits ab dem 14. Lebensjahr möglich sein sollen. Eigenen Angaben zufolge, haben bereits über „330 feministische Autor*innen, Creator*innen, Jurist*innen, sowie Vertreter*innen u.a. aus queeren Vereinen, Frauenverbänden, Frauenhäusern, der Frauen-, Mädchen- und Gleichstellungsarbeit“ diese Petition unterzeichnet. Auch DIE LINKE.queer wirft der Ampelkoalition vor, „das Selbstbestimmungsgesetz bis zur Unkenntlichkeit“ entstellt zu haben und kritisiert, dass „vom Ursprungsgedanken weitgehender geschlechtlicher Selbstbestimmung nicht einmal mehr das blanke Minimum übrig“ bleibe. Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, kritisierte die enthaltenen Einschränkungen ebenfalls, denn sie seien geeignet, „Diskriminierungen zu begünstigen und Vorurteile zu bestärken“.

 

Fehlende Zustimmung der Union

Dagegen sieht taz-Redakteur und IQN-Vorstand Jan Feddersen dieses Gesetzesvorhaben als nicht zu Ende verhandelt mit den Liberal-Konservativen, insbesondere der Union. Deniz Yücel nimmt eine ähnliche Position ein und schreibt in der WELT, dass er dieses Vorhaben für zu früh kommend hält. „Dieses Gesetz im kulturkämpferischen Handgemenge statt im größtmöglichen Konsens zu beschließen“ gefährde Yücel zufolge „die Anerkennung transgeschlechtlicher Identitäten“. Feddersen warnte in diesem Sinne bereits vor einem Jahr in der taz, dass dieses Gesetzesvorhaben der Akzeptanz von Transpersonen einen Bärendienst erweisen könnte. Bis heute gab es zudem keine seriöse Rechtsfolgenabschätzung, ebenso wenig wie eine gesellschaftliche Verständigung darüber, ob das biologische Geschlecht noch Relevanz besitzt und wenn ja, in welchen Situationen.

 

Geschlecht im Sport und in amtlichen Registern

Zuletzt haben mehrere internationale Sportverbände diese Relevanz zumindest für den Wettkampfsport im Hochleistungsbereich beantwortet und für ihre Frauensparten explizit festgelegt, dass sich in diesen Wettkämpfen nur biologische Frauen miteinander messen dürfen. Ausnahmen werden nur für Transfrauen gemacht, die keine körperlich-männliche Pubertät durchlaufen haben.  Der Weltschwimmverband hat zudem begonnen, eine neue Wettkampfkategorie zu erproben, in der alle mitmachen können, unabhängig ihres biologischen Geschlechts. Parallel dazu soll es weitere Forschung dazu geben, wie und wann körperliche Unterschiede zwischen Trans und Cis im Sport relevant sind und wie Inklusion unter Berücksichtigung solcher Differenzen gestaltet werden kann. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung hat in der gegenwärtigen Situation zumindest die einzig mögliche Lösung gewählt und solche Regularien der Autonomie der Sportverbände überlassen.

Realitätsfern wirken allerdings die Einwände der Kritiker*innen am Entwurf gegen die Informationsweitergabe an Sicherheitsbehörden. Schon heute mit dem TSG ist es so, dass Behörden über die vorgenommene Änderung informiert werden. Es war unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten nie eine realistische Option, dass Transpersonen nach einer Vornamens- und Personenstandsänderung in den Registern zu unbeschriebenen Blättern werden.

 

Kehrtwende im Ausland

Besonders problematisch an den Forderungen der Petition ist jedoch, Minderjährige ab 14 Jahren die Änderungen zu den gleichen Konditionen ermöglichen zu wollen, wie Volljährigen. Dabei kann man bis zur Volljährigkeit nicht mal ohne Unterschrift der Eltern an Klassenfahrten teilnehmen. Bedenklicher ist daran aber, dass der sogenannte gender-affirmative Ansatz im Ausland gerade bei Minderjährigen ins Kreuzfeuer geraten ist. In Großbritannien erregte der Fall der Detransitioniererin Keira Bell großes Aufsehen, ein Gerichtsurteil von 2020 hatte mittelfristig zur Folge, dass der nationale Gesundheitsservice NHS die Qualität des eigenen Behandlungsangebots unabhängig prüfen ließ. In den USA erließen republikanisch geführte Bundesstaaten gar Verbote für geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Minderjährigen. „Gender-affirmativ“ meint, dass die Selbstäußerung über die Geschlechtsidentität von Beginn an mit Ermöglichung einer frühen sozialen Transition, zu der auch Änderungen des Vornamens und Geschlechtseintrags zählt, sowie frühstmöglichen medizinischen Maßnahmen unterstützt wird. Parallel dazu wird eine umfassende Diagnostik und psychotherapeutische Exploration von vielen Transaktivisten als „Gatekeeping“ abgelehnt. Mehrere Untersuchungen haben diesem Ansatz eine schwache Evidenzbasis bescheinigt. Zudem wurde in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Schweden sichtbar, dass Minderjährige mit komplexen psychischen Problemlagen keine adäquate Unterstützung bekamen, was dann in einigen Fällen ein paar Jahre später zu Reue oder auch Detransitionen führte.

Einige Länder änderten mittlerweile ihren Kurs bei Minderjährigen mit Geschlechtsdysphorie. In Großbritannien beschränkt der NHS den Einsatz von Pubertätsblocker auf Studien, ebenso Schweden.  Sogar in den USA will die dortige Fachgesellschaft für Pädiatrie die Evidenz des gender-affirmativen Ansatzes prüfen lassen, obwohl man diesen nach wie vor unterstütze. Angesichts dieser Entwicklungen sind Forderungen unverantwortlich, Minderjährige in solchen Fragen wie Erwachsene behandeln zu wollen.  Damit leistet man der Entwicklung Vorschub, dass sich folgende Prophezeiung Yücels erfüllen könnte: „Doch vielleicht wird man manche Aspekte des heutigen Transgender-Diskurses ähnlich bewerten, wie in der Rückschau auch die Beteiligten auf die Idee mit der ‚freien Liebe‘ der Sechziger- oder auf die Pädophilie-Debatte der Siebzigerjahre blicken: als Punkt, an dem der Wunsch nach sexueller Emanzipation übers Ziel hinausschoss.“


Die Verbannung der CDU/CSU vom CSD – richtig so?

Wir als IQN haben mit dem Umbau begonnen. Diese Website enthält ab sofort auch aktuelle Kommentare, Analysen zu den gegenwärtigen Politiken und Kulturen der queeren Communities. Der Auftakt: ein Kommentar zu den Aus- und Eingrenzungen bei CSDs – aktuell in Hamburg.


CSD Hamburg 2022, eine Menschenmenge umringt einen der Paradewagen, der mit bunten Luftballons in Regenbogenfarben dekoriert ist.

CSD Hamburg 2022 – kein Wagen der CDU, Foto von Lukas S auf Unsplash


5. August 2023| Till Randolf Amelung

CSDs waren, als sie 1979 erstmals in der Bundesrepublik ausgerichtet wurden, überparteilich. Zwar deutlich links, grün-bunt-alternativ vom Schwerpunkt her,  aber das ging auch nicht anders: Schwule und Lesben der etablierten Parteien SPD, CDU/CSU und FDP hatten gerade erst begonnen, sich wenigstens innerparteilich zu formieren. Auch sie hätten dabei sein dürfen, wenn sie denn im Grundsatz mit den Zielen der gesellschaftlichen Gleichstellung einverstanden gewesen waren. In keiner Parteienentwicklung drückt sich der Wandel der Bundesrepublik diesbezüglich besser aus, als in den Unionsparteien, in der es heute auch offen Schwule wie Jens Spahn in der Bundespolitik geben kann.

 

Die CSU und die Drag-Lesung

Nun aber gab es Ärger. Zuerst wurde in München die CSU von der Pride-Parade ausgeschlossen, kürzlich die große Schwesterpartei CDU in Hamburg: die Teilnahme mit eigenen Wagen  am CSD  wurde verwehrt. In beiden Städten begründeten die CSD-Organisatoren die Ausladungen mit Handlungen und Äußerungen aus den Unionsparteien, die Zweifel an der Verträglichkeit mit queerpolitischen Zielen aufkommen ließen. Politiker aus der CSU positionierten sich gegen eine Drag-Lesung, die Anfang Juni in der Stadtbibliothek München-Bogenhausen stattfand und warfen der Veranstaltung „Frühsexualisierung“ vor, weil einer der vorlesenden Künstler mit seinem Drag-Namen „Eric BigClit“ angekündigt wurde. Die Aufregung wirkte etwas grotesk, vermisste man einen ähnlichen Furor, wenn es um Fälle sexuellen Missbrauchs in katholischen und evangelischen Kirchen ging. Es fallen einem sicherlich mehr Drag Queens und Kings ein, denen man Kinder anvertrauen möchte, als katholische Geistliche.

 

Transkind und BDSM

Völlig übersehen wurde dafür der bedenkliche Hintergrund des Transmädchens Julana Gleisenberg, die ebenfalls vorlesen sollte, dann aber aus Sicherheitsgründen absagte. Die heute dreizehnjährige Julana, die biologisch männlich zur Welt kam, hatte sich im Alter von neun Jahren als trans geoutet. Wenig später wurde sie schon als Kinderbotschafterin einer neu gegründeten Stiftung eingesetzt und brachte mit Hilfe ihrer Eltern ein autobiografisches Buch heraus. Mittlerweile erhält Julana auch Pubertätsblocker, die eine männliche Pubertät verhindern sollen. Es wirkt, als solle Julana das deutsche Äquivalent zu Jazz Jennings werden, ein Transmädchen, deren Geschichte in einer Reality-TV-Serie über mehrere Jahre im US-amerikanischen Fernsehen vermarktet wurde. Gleisenbergs Eltern haben zudem die Transkind-Thematik offensiv zusammen mit ihrem Engagement für BDSM-Lebensweisen verknüpft, bei der Elemente von BDSM auch im Alltag eine Rolle spielen. Das Fass zum Überlaufen brachte in München jedoch der Besuch einer CSU-Delegation beim republikanischen Gouverneur des US-Bundesstaats Florida, Ron DeSantis, der mit LGBTI-feindlichen Gesetzen von sich reden machte. Die Münchener CSD-Organisatoren warfen der CSU vor, sich nicht von den Beteiligten der Delegation und DeSantis absolut ablehnender Haltung zu LGBTI zu distanzieren.

 

Gendern und Selbstbestimmungsgesetz

Gründe für die Ausladung in Hamburg hingegen, waren vor allem die Beteiligung der hiesigen CDU an der Bürgerinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“, die per Volksbegehren das Gendern mit Sonderzeichen in Behörden und Bildungseinrichtungen verbieten lassen will  und die Ablehnung des Selbstbestimmungsgesetzes. Die diesjährige Pride-Parade steht unter dem Motto „Selbstbestimmung jetzt! Verbündet gegen Trans*Feindlichkeit“. So ist durchaus nachvollziehbar, warum unter diesem Motto eine CDU als Teilnehmerin an der Parade kontraproduktiv für die Glaubwürdigkeit des Veranstalters wäre.

Der Umgang mit der CDU zeigt allerdings gerade bei diesen beiden Themen, wie der queere Aktivismus insgesamt einen Diskurskorridor kreieren will, der enger als eine Schießscharte ist. Dieser Aktivismus verunmöglicht es so, sich im übergeordneten Ziel der Gleichstellung queerer Menschen zusammenfinden zu können und dabei verschiedener Ansicht zu sein, wie das zu erreichen ist. Es beraubt den CSD seines integrativen Potenzials. Denn was hätte es gekostet, den CDU-Wagen zu tolerieren, selbst im Wissen, dass die Hamburger Abteilung der Partei nicht mit allen Maximalforderungen der LGBTI-Bewegung übereinstimmen möchte?

Dabei wäre eine integrierende Geste der CDU gegenüber ohnehin geboten gewesen: Die neuen Sprachcodes (Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt inkl. Klicklaut) sind ja keineswegs unumstritten. Im Gegenteil! Zur Erläuterung: Wenn vom sogenannten Gendern die Rede ist, sind Schreibweisen gemeint, die ein Sternchen, einen Unterstrich oder inzwischen auch einen Doppelpunkt verwenden. Damit sollen Geschlechtsidentitäten jenseits der Zweigeschlechtlichkeit sichtbar gemacht werden. Zugleich verweisen diese Sonderzeichen darauf, dass sich bis heute keine Schreib- und Sprechweise durchgesetzt und es in das anerkannte Regelwerk der deutschen Sprache geschafft hat, die sprachlich mehr als zwei Geschlechter abbildet. Im Juli diesen Jahres kam der Rat für deutsche Rechtschreibung im belgischen Eupen zusammen und beschloss, diese Sonderzeichen nicht in das offizielle Regelwerk aufzunehmen und stattdessen die Entwicklung weiter zu beobachten. In weiten Teilen der Bevölkerung aber, scheint es um die Akzeptanz für das Gendern mit Sonderzeichen eher schlecht bestellt zu sein. Mehrere Umfragen zeigten inzwischen, dass weit mehr als die Hälfte der Befragten diese Formen inklusive der gesprochenen Sprechpause ablehnen. Diese Umfragen zeigten aber auch, dass dies nicht gleichbedeutend mit einer generellen Ablehnung von Geschlechtersensibilität im Sprachgebrauch ist.

Beim Selbstbestimmungsgesetz, was das als veraltet geltende Transsexuellengesetz ablösen soll, ist es ebenfalls zu einfach die CDU zum Sündenbock dafür zu erklären, dass dieses Vorhaben der regierenden Ampelparteien nicht so recht vom Fleck kommt. Ein Kabinettsbeschluss vor der parlamentarischen Sommerpause scheiterte am Bundesinnenministerium aufgrund von Bedenken des Bundeskriminalamtes, Kriminellen könne die Verschleierung ihrer Identität zu leicht gemacht werden. Kern der geplanten Gesetzesnovelle ist die voraussetzungslose Änderungsmöglichkeit des amtlichen Geschlechtseintrags. Dagegen jedoch gibt es aus verschiedenen Ecken Kritik, auch von Personen, die formal zur LGBTI-Community gezählt werden können – zum Beispiel vom Autor dieser Zeilen. Mit der bisherigen Historie an gerissenen Deadlines ist es längst fraglich, ob es der Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz in der bisher vorliegenden Form überhaupt unverändert durch alle Stationen des Gesetzgebungsverfahrens schafft. Die Zustimmung in der Bevölkerung für eine Lösung, die ganz ohne Sicherstellung auskommen will, dass nur die Personenkreise davon Gebrauch machen, für die es gedacht hat, dürfte eher gering ausfallen. Wahrscheinlich würde eine Umfrage dazu ähnliche Werte wie für das Gendern mit Sonderzeichen erzielen. Zuletzt zeigten Wahlen in Ländern wie Finnland und Spanien, in denen linke Regierungskoalitionen kürzlich eine vergleichbare Regelung beschlossen haben, dass dies nicht dabei hilft, Wahlen erneut zu gewinnen. In Großbritannien ändert nun die Labour-Partei ihre Haltung zu einem Selbstbestimmungsgesetz, indem sie davon abrückt.

 

Lehren aus der „Ehe für alle“

Es gäbe also Anlässe genug, den Raum für eine sachliche und differenzierte Auseinandersetzung über die beiden Themen „Gendern“ und „Selbstbestimmungsgesetz“ zu ermöglichen. Der Hamburger CSD hat sich hier anders entschieden. Dabei sollte man die Lehren aus der 2017 erfolgreich verabschiedeten „Ehe für alle“ ernst nehmen. Diese war dann erst gesetzlich durchsetzbar, als weite Teile der Bevölkerung dem positiv gegenüber standen, was sich auch in der CDU dadurch ausdrückte, dass sich wichtige Parteimitglieder dafür aussprachen. So kam es am 30. Juni 2017 zu dem inzwischen legendären Erfolg der entscheidenden Abstimmung im Bundestag, bei der die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den Fraktionszwang aufhob – und selbst als Abgeordnete dagegen stimmte. In puncto Selbstbestimmungsgesetz ist eine ähnliche gesellschaftliche Stimmungslage nicht wahrnehmbar. Was aber ist für Transpersonen gewonnen, wenn eine gesetzliche Regelung und deren Ergebnisse nicht anerkannt werden? Ohne die Zustimmung der Union jedenfalls, ist kein nachhaltiger Wandel in Deutschland zu erzielen.

 

Till Randolf Amelung ist seit August 2023 Redakteur des Blogs der Initiative Queer Nations. Ansonsten ist er freier Autor mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen. Texte von ihm erschienen in wissenschaftlichen Sammelbänden, darunter das Jahrbuch Sexualitäten 2021 (Politische Hybris. Wie der Transaktivismus seine Erfolge zu verspielen droht) und 2022 (Ist Psychotherapie mit den Menschenrechten von Transpersonen vereinbar? Ein Zwischenruf für die Berücksichtigung psychodynamischer Ansätze). In Medien wie der Jungle World, ZEIT Online, dem Schweizer Monat und der Siegessäule veröffentlichte er ebenfalls. 2020 erschien im Querverlag sein Sammelband Irrwege – Analysen aktueller queerer Politik; 2022 sein Essay Transaktivismus gegen Radikalfeminismus. Gedanken zu einer Front im digitalen Kulturkampf.

Transparenzhinweis für diesen Beitrag: Der Autor ist Mitglied der LSU – Lesben und Schwule in der Union, jedoch kein Parteimitglied der CDU.