Die ARD widmet sich dem Leben Daniel Küblböcks, einem Showstar der frühen Nuller Jahre, der sich am Ende seines Lebens Lana Kaiser nannte. Entstanden ist eine beeindruckend dichte Dokumentation in drei Teilen über insgesamt zwei Stunden. Und die doch eher ein Märchen als eine einordnende Geschichte zu einem der größten queeren Stars seiner Zeit geworden ist.

Daniel Küblböck singt auf der Bühne des CSD Köln 2009. Küblböck trägt ein pinkes Hemd, eine graue Weste und Hose und hält ein Mikrofon in der Hand.
Daniel Küblböck auf dem CSD Köln 2009 (Foto: Wikimops).

13. September 2025 | Jan Feddersen

Wie auch immer sich Daniel Küblböck in der letzten Zeit seines Lebens identifizierte, als Frau, also als Lana Kaiser, oder als das männliche Wesen, als das er am 27. August 1985 geboren wurde: In diesem Text wird er als Mann erkannt, mit den entsprechenden Pronomen. In der dreiteiligen Dokumentation über ihn heißt es in einer schriftlichen Einblendung zum Auftakt 120 Minuten indes: „Diese Serie handelt von einer Person, die sich kurz vor ihrem Ableben als trans sichtbar machte. Da viele Gesprächspartner*innen sie nur aus der Zeit davor kennen, werden in dieser Serie unterschiedliche Namen und Pronomen verwendet.“

DSDS statt Kinderpflege

Was nach dieser Erläuterung folgt, ist eine teils ergreifende, teils deprimierende Revue über das Leben des Daniel Küblböck.  Ende 2002 lässt er eine Ausbildung zum Kinderpfleger sausen, um dorthin zu gelangen, wonach es ihn sehnte: ins Showgeschäft. Er gehörte zur ersten, man könnte sagen: legendären ersten Staffel des RTL-Formats „Deutschland sucht den Superstar“. Küblböck wurde zwar nicht der Sieger, sondern Alexander Klaws. Im Gegensatz zu diesem aber,  avancierte der Bayer mit seiner mitreißenden, etwas erratischen, jedenfalls für die Wünsche der TV- und Musikindustrie immer etwas unberechenbaren Art zum wirklichen Superstar seiner Zeit: Er habe nicht singen können, hieß es später, er habe dieses oder das nicht gekonnt, aber er hatte dieses gewisse Etwas, das Sterne von Sternschnuppen unterschied.

Was ihn trieb, wurde in aller Öffentlichkeit breit erörtert, und Küblböck war das recht: Stars wissen, dass sie Futter geben müssen, Langeweile darf nicht sein. In die Wiege gelegt war ihm das aber nicht, wie er in seiner 2003 veröffentlichten Autobiografie „Ich lebe meine Töne“ verriet:  Küblböcks Mutter blamierte ihren Sohn öfters mit dem Satz, er könne nichts, er sei nichts, er werden nie etwas können. Aber Küblböck, nahm diesen  nur denkbaren übelsten Schmäh aggressiv – er wollte ins Licht und also unter Scheinwerfer. Er war als Aschenputtel designiert, wollte aber – mindestens – die Prinzessin werden. Dank DSDS wurde er schließlich zu einem Star, dessen Popularität gerade bei den Heranwachsenden an die von Michael Jackson in jenen Jahren heranreichte.

Queere Sichtbarkeit statt Diskretion

Viele seiner Nächsten kommen in dieser Dokumentation zu Wort: Als Zuschauer freut man sich, dass Küblböck anscheinend umgeben war von einem schützenden Ring an ihm innig gesinnten Menschen, darunter zwei Ex-Männer, Gracia, seine DSDS-Mitbewerberin und spätere ESC-Teilnehmerin, außerdem eine Kneipenwirtin in Berlin, die Hamburger Dragqueen Olivia Jones und auch der Vater, der zeitweise für seinen Sohn Manager war. Erahnbar wird die quasi avantgardistische Leistung des Künstlers: Als er die Showbühnen  unter dem giftigen Patronat Dieter Bohlens eroberte, gab es gegen schwule (und überhaupt: queere) AkteurInnen noch diese gewisse Tyrannei der Diskretion.

Schwule oder lesbische Stars wie Olivia Jones, Hella von Sinnen, Guido Maria Kretschmer waren in jenen Jahren Geschöpfe des privaten Fernsehens, nicht der ARD oder des ZDF, für die Nichtheteronormatives souverän zu zeigen als allenfalls tolerier-, aber nicht wünschbar erschien.. Subtile oder drastisch geäußerte Homophobie musste gar nicht zelebriert werden, sie war einfach Comment, so alltäglich wie selbstverständlich.

Daniel Küblböck brauchte allerdings als schwuler Star in spe auch gar nicht geoutet werden: Seine Art der fröhlichen Unmackerigkeit wurde als „schwul“ quasi automatisch „mitgelesen“ –  auch schon von jungen Schwulen selbst: Sie waren ja anders als die anderen (Jungs), sie hatten Sinn für Mädchen, aber mehr, um mit ihnen Gummitwist zu spielen als ihnen an die Wäsche zu gehen.

Zwischen Ruhm und Abstieg

Das alles zeigt diese Dokumentation: ein Meilenstein in der Aufklärung strukturell-antiqueerer Verhältnissen vor allem, aber nicht, nur in den öffentlich-rechtlichen Medien. Vor allem ist dieses Portrait Küblböcks eine Geschichte über einen jungen Mann, der sich nicht verstecken will und viel Scheitern auf sich nehmen muss, ehe er – vielleicht – verstanden hat, dass jeder Ruhm den nahen Abstieg in sich trägt.

Küblböcks verzweifelte Schritte, seine Flamboyanz, sein schwules Strahlen einzubüßen, schockieren im Nachhinein extrem. So gut wie alles probiert er aus, um irgendwie im Showbusiness zu bleiben inkl. Dschungelcamp. Er ist sich aufmerksamkeitsökonomisch für nichts zu schade. An ihm scheint abzuprallen, dass  ARD-Talkmoderator  Frank Elstner in einer Gesprächssendung ihn wie einen von einer Geisteskrankheit Geheilten behandelt, ein Sohn, der endlich zur Besinnung gekommen ist: ordentlich korrigierte Zahnreihen, ein eher langweiliger Kurzhaarschnitt. Inklusive gefälliger Zustimmung Küblböcks, als Elstner ihn an frühere Zeiten erinnert. Dabei waren dies seine besten!

Sichtbarkeit als Freiheitsversprechen

Im Nachhinein wird mir klar, dass ich selbst Küblböck als schwule Tapferkeitsverkörperung nicht wahrgenommen hatte. DSDS war nicht mein Format, entzündete so wenig mein Interesse wie das Dschungelcamp. Aber mit dieser Doku wurde mir bewusst, dass der Aufstieg des schwulen Daniel Küblböcks zur gleichen Zeit stattfindet wie beim ESC international queere Sichtbarkeit bis in die KünstlerInnenriege deutlich werden konnte – von Dana Internationals ESC-Sieg 1998 bis hin zu Conchita Wurst mit ihrem Eurovisionstriumph 2014. Als seien sie ein Versprechen.

Offenbar waren die 2000er Jahre  jene Zeit, die irgendwann als Möglichkeitsjahre queerer (vor allem schwuler und lesbischer) Sicht- und Sagbarkeit erinnert werden. Die Generation der Küblböcks nahm die Freiheitsversprechen der Länder, die sich in puncto Queerness als inklusiv (bis hin zur „Ehe für alle“, in Deutschland 2017) verstehen wollten, beim Wort. Dass Küblböck damals DSDS nicht gewinnen konnte, hatte vermutlich mit den kühlen betriebswirtschaftlichen Überlegungen der Produzenten von DSDS zu tun: Ein bekennend heterosexueller Posterboy wie Alexander Klaws  versprach, durch viele jugendliche weibliche Fans die Kassen kräftiger klingeln zu lassen.

Letzte Station Schauspielausbildung

Die Krise des Daniel Küblböck begann mit seinen späten Dreißigern, er war kein glamouröser junger Prinz mehr, als er nach Berlin ging, um eine Schauspielausbildung zu machen. Er wirkte, ehrlich gesagt, schon wie ein fertig ausgebildeter Mann der Bühne – aber er hatte den formalen Abschluss wohl nicht. Hier in dieser Stadt beginnt seine letzte Etappe – und diese lässt eine Reihe offener Fragen zurück.

Seine Ausbildung scheint nicht erfolgreich zu laufen. Während der Proben für das Abschlusstück klagt er, jemand würde ihn sabotieren. In der Tat gab es zerstörte Kostüme und Technik. Es steht der Verdacht im Raum, er könne dies selbst getan haben. Schilderungen einer ehemaligen Mitschülerin vermitteln den Eindruck eines Menschens, der sich offenkundig in einer psychischen Krise befunden haben muss. Auch von einem häufig übermäßigen Alkoholkonsum wird berichtet.

Zugleich wird er unnahbar, hält mehr und mehr Abstand zu vormaligen Buddys … und erkennt sich als Trans. Ein Mensch, der auf das Selbstverständlichste mit femininer Körpersprache ein schwul begehrendes Leben führte. Küblböck hatte angefangen, ohne ärztliche Verschreibung und wohl auch ohne psychotherapeutische Begleitung Hormone zu nehmen. Bisherige medizinische Leitlinien einer Geschlechtsangleichung empfehlen jedoch, dass ein solcher Schritt nur unter ärztlicher und psychotherapeutischer Aufsicht erfolgen sollte.

In Berichten nach seinem Tod hieß es, auf Mallorca, wo Küblböck zeitweise lebte, habe ein Arzt eine akute Episode einer schizophrenen Psychose diagnostiziert. Doch das wird in der Doku nicht thematisiert.  Das queeristische Narrativ will Trans ausschließlich als glückliche Zwangsläufigkeit eingeordnet und präsentiert sehen. Entsprechend lässt sich das Interview mit der Transaktivista Mari Günter verstehen, die für den Bundesverband Trans* solche Grundsätze seit Jahren erfolgreich in sozialpädagogischer und psychotherapeutischer Praxis platziert.

Die Kritiken zur Doku in den Medien waren einhellig positiv. Der transaffirmative Umgang mit Küblböcks Biografie wurde nirgends in Frage gestellt. Liest man dieses Filmportrait wie einen Abschiedsfilm, rührt er zu Tränen: Er war offenbar ein freundlicher Mann, der sich nie genug fühlte. Und ich bekenne, ihn gern kennengelernt zu haben. Am 9. September, als er Passagier auf einem Kreuzfahrtschiff nach Nordamerika war, verlor sich seine Spur, als Todesort gibt Wikipedia die Labrador-See an. Sein toter Körper wurde nie gefunden.

In einem Telefonat sagt er dem Angerufenen, wir hören den Mitschnitt: „Hallo, ich bin’s, der Dani, also die Lana eigentlich …“ Ist damit alles klar? Nichts ist am Ende dieser gefälligen Dokumentation wirklich in Sachen Küblböck klar. Fast alle Fragen – offen.


Jan Feddersen ist Gründungsvorstand der Initiative Queer Nations und Redakteur für besondere Aufgaben bei der taz.


Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig!  Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.