Der britische Supreme Court urteilte darüber, ob „Frau“ im Gleichstellungsgesetz auf biologischer Grundlage oder auf identitärer zu definieren ist. Seine Entscheidung fiel zugunsten der biologischen Definition aus, für die in den vergangenen Jahren besonders feministische Frauengruppen gestritten haben. Transverbände sind darüber entsetzt, die Schriftstellerin J.K. Rowling zeigt sich entzückt.

17. April 2025 | Till Randolf Amelung
Mittwochvormittag fiel das Urteil, für das feministische Aktivistinnen der Gruppe For Women Scotland sich seit 2018 durch alle juristischen Instanzen kämpften: Die rechtliche Definition von „Frau“ bezieht sich in Gleichstellungsfragen nur auf das biologische Geschlecht. Hintergrund ist ein damals verabschiedetes schottisches Gleichstellungsgesetz zu Frauenquoten in öffentlichen Gremien, um den Frauenanteil auf mindestens 50 Prozent anzuheben. Die Definition von „Frau“ im schottischen Gesetz schloss auch biologisch männliche Transfrauen mit einem Gender Recognition Certificate (GRC) ein – der britischen Variante der rechtlichen Namens- und Personenstandsänderung.
JK Rowling unterstützte Gerichtsprozess
For Women Scotland, die finanziell und ideell von keiner Geringeren als ihrer weltberühmten Landsfrau Joanne K. Rowling unterstützt wurden, sahen beim schottischen Gesetz eine Überschreitung der Kompetenzen, weil es den Begriff „Frau“ aus dem britischen Gleichstellungsgesetz eigenmächtig neu definiere.
Die schottische Regierung hatte vor Gericht argumentiert, dass Transfrauen mit einem Gender Recognition Certificate (GRC) Anspruch auf den gleichen geschlechtsspezifischen Schutz hätten wie biologische Frauen. Der Oberste Gerichtshof wurde daraufhin gebeten, über die richtige Auslegung des Gleichstellungsgesetzes von 2010 zu entscheiden, das in ganz Großbritannien gilt. Das Gericht gab nun den Aktivistinnen recht. Das Urteil gilt als wegweisend, um Fragen zu beantworten, ob Transfrauen bei Frauenquoten anerkannt werden oder ob sie aus Frauenräumen und von frauenspezifischen Dienstleistungen ausgeschlossen werden dürfen.
I love it when a plan comes together.#SupremeCourt #WomensRights pic.twitter.com/agOkWmhPgb
— J.K. Rowling (@jk_rowling) April 16, 2025
Hitzige Debatte um Trans- und Frauenrechte
Die aktuelle höchstrichterliche Entscheidung folgt auf eine jahrelange hitzige Auseinandersetzung über Transgender- und Frauenrechte in Großbritannien. Dazu gehört auch die Kontroverse um Isla Bryson, eine biologisch männliche Person, die wegen Vergewaltigung verurteilt und zuerst in einem Frauengefängnis untergebracht wurde. Nachdem der Fall 2023 mitten in der Debatte um ein schottisches Selbstbestimmungsgesetz die Öffentlichkeit erreichte und die damalige Ministerin Nicola Sturgeon vor laufender Kamera nicht konzis definieren konnte, was eine Frau ist, trat die damals noch beliebte Politikerin zurück.
Auch ein noch laufendes arbeitsgerichtliches Verfahren, in das eine Krankenschwester des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS im schottischen Fife verwickelt ist, gehört dazu. Sie hatte Einwände dagegen erhoben, dass eine Transfrau, die in derselben Klinik als Ärztin tätig ist, einen gemeinsamen Frauenumkleideraum benutzt.
Im vergangenen Monat wurden zudem Ergebnisse einer von der britischen Regierung beauftragten Studie veröffentlicht, die zeigten, dass die Nichtunterscheidung zwischen biologischem und Identitätsgeschlecht in offiziellen Statistiken zu verzerrten Daten führt.
In dem nun gefällten Urteil wurde festgestellt, dass die biologische Auslegung des Geschlechts auch für das „kohärente Funktionieren“ von geschlechtsspezifischen Räumen erforderlich sei. For Women Scotland und andere Frauenrechtsgruppen begrüßten das heutige Urteil, da es ihre Position stärkt. Auch Faika El-Nagashi, lesbische gender-kritische Aktivistin und ehemalige Abgeordnete für die Grünen im österreichischen Nationalrat, bezeichnete das Urteil im Kurznachrichtendienst X als „Meilenstein“.
Urteil für Transaktivisten schwerer Rückschlag
TransaktivistInnen hingegen sehen den Gerichtsentscheid als schweren Rückschlag. Sie befürchten, künftig weniger geschützt zu sein. Der schottische Transaktivist Vic Valentine sagte gegenüber BBC, seine Organisation sei „schockiert“ über das Gerichtsurteil und argumentierte, dass es „20 Jahre des Verständnisses darüber, wie das Gesetz Transmänner und -frauen mit Geschlechtsanerkennungszertifikaten anerkennt, auf den Kopf stellt“.
Der Richter Lord Hodge wiederum stellte klar: „Aber wir raten davon ab, dieses Urteil als einen Triumph einer oder mehrerer Gruppen in unserer Gesellschaft auf Kosten einer anderen zu interpretieren, das ist es nicht.“ Er fügte hinzu, dass die Rechtsvorschriften Transpersonen „nicht nur Schutz vor Diskriminierung aufgrund des geschützten Merkmals der Geschlechtsangleichung, sondern auch vor unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung und Belästigung aufgrund ihrer Transition bieten würden.
Gerichtsentscheidung mit Signalwirkung
So oder so: Die Signalwirkung dieses Urteils reicht über Großbritannien hinaus. Weltweit und damit auch hier in Deutschland wird zunehmend um die Frage gestritten, wie relevant das biologische Geschlecht eigentlich ist und wie viele es davon gibt. Obwohl es naturwissenschaftlich Common Sense ist, dass es zwei und nicht mehr biologische Geschlechter gibt, wird aus politischen, transaktivistisch angeheizten Gründen versucht, eine alternative Erzählung zu platzieren.
Die Politikwissenschaftlerin und IQN-Autorin Chantalle El Helou sieht die reproduktive Potenz als gewichtigen Kern der individuellen und gesellschaftlichen Relevanz, aus dieser heraus definiere sich die stoffliche Begrenzung des biologischen Geschlechts. Daher lehnt sie die queertheoretisch begründete Leugnung dieser Relevanz ab. So schreibt sie:
„Die zwangsläufige Bewusstwerdung und Verhandlung dieses spezifischen Stoffwechsels mit der Natur müsste bewusst unterdrückt werden. Das steht der befreiten Gesellschaft direkt entgegen. Die Naturbeherrschung wie sie bei Abtreibung oder Verhütung, aber eben auch bei jeder grundlegendsten Planung, Lenkung, Vorbereitung oder Verhinderung einer Schwangerschaft besteht, ist eben nicht die Verleugnung der Natur, sondern die bewusste Anerkennung ihrer Eigengesetzlichkeit und deren Einbettung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ohne diese Anerkennung müsste einem der Vorgang von Schwangerschaft und Geburt wie ein chaotisches Mysterium erscheinen, das wie eine Naturgewalt über einen hereinbricht und deren Gefahren man hilflos ausgesetzt wäre.“
Progressiver Queer- und Transaktivismus nebst Verbündeten in der Politik wollten das biologische Geschlecht aus dem Blickfeld verbannen, doch damit brachten sie weltweit Frauen gegen sich auf, weil gerade sie von einer Geschlechtsdefinition ohne biologische Fundierung erhebliche Nachteile haben. So weit hätte es nicht kommen müssen, wenn dem gesellschaftspolitisch progressiven Lager bewusst gewesen wäre, dass sie nie auf einer befestigten Straße unterwegs waren, sondern auf einem zugefrorenen See, dessen Betreten Umsicht und Vorsicht erfordert. Nun ist der Schaden da, und der queere Transaktivismus bricht auf dem dünnen Eis ein.
Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Journalist veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien und in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN.
Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig! Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.