„A Litany For Survival: The Life and Work of Audre Lorde“

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And when the sun rises we are afraid
it might not remain
when the sun sets we are afraid
it might not rise in the morning
when our stomachs are full we are afraid of indigestion

when our stomachs are empty we are afraid we may never eat again
when we are loved we are afraid
love will vanish

when we are alone we are afraid love will never return
and when we speak we are afraid our words will not be heard

nor welcomed
but when we are silent we are still afraid

So it is better to speak remembering
we were never meant to survive

Audre Lorde, aus The Black Unicorn

 

Acht Jahre lang wurde Audre Lorde, Afroamerikanerin, Feministin, Lesbe, Kriegerin, Schwarze Aktivistin, Dichterin, Mutter und Krebsüberlebende von den Filmemacherinnen Ada Gay Griffin und Michelle Parkerson begleitet: „A Litany For Survival: The Life and Work of Audre Lorde“ lautet Titel der Dokumentation, die Lorde selbst – leider – nie zu sehen bekam. Als Lorde im November 1992 schließlich doch der zunächst besiegt geglaubten und zurückgekehrten Krebserkrankung erliegt, ist der Film noch nicht fertiggestellt.

Die Dokumentation, gleichzeitig auch eine Hommage an Lorde und ihr Vermächtnis, wurde am 10.04.2018 bei einem Queer Screening der IQN mit Katharina Oguntoye im taz Café gezeigt. Oguntoye ist Gründerin des Vereins „JOLIBA – Interkulturelles Netzwerk in Berlin e.V“, Mitherausgeberin des Werks „Farbe bekennen: Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ und seit den 1980er Jahren eine der Protagonistinnen der afro-deutschen Frauenbewegung in Berlin – jenem Ort, an dem sich ihr Weg damals mit dem von Audre Lorde kreuzte.

Abseits von New York City

Abseits von New York, einem der zentralen Orte des facettenreichen Wirkens von Audre Lorde, beginnt die dokumentarische Erzählung. Die Anfangsszenen zeigen Lorde im weißen Gewand, wie sie mit einer Handfilmkamera ihre Umgebung, die Gärten und Landschaften – höchst wahrscheinlich – auf St. Croix (Amerikanische Jungferninsel) aufnimmt und dabei kommentiert. Sie geht in die Reflexion des eigenen Daseins. Sie befindet sich in ihrem letzten Lebensabschnitt, stark gekennzeichnet durch ihr unermüdliches Ringen gegen die Krebserkrankung, die Stimme rau, brüchig und verletzlich, aber höchst weise zugleich. Mit der Kamera hält sie ihren Blick, ihre Anschauung der Welt und ihre Sicht auf die Dinge fest, als würde sie den Moment mit all der Energie die sie noch in sich trägt, wie eine Stafette weiter reichen wollen. Ihr unvergleichlicher Kampf als Dichterin, Feministin und politische Aktivistin für die Gleichberechtigung von schwarzen Frauen und gegen Rassismus ist auch hier allgegenwärtig. Es sind bezeichnende Szenen. Während eines Gesprächs gesteht sich Lorde ein, dass sie zu schwach für eine Rückkehr in das nie ruhende New York sei. Sie werde zwar immer wieder dorthin kommen, sofern ihr Körper es zulasse, aber die pulsierende Stadt sei etwas für jüngere Generationen, so Lorde.

„A black lesbian mother feminist poet warrior“

Geboren und aufgewachsen in Harlem, schreibt sie bereits als junge Schülerin Gedichte. In den 1950er und 60er Jahren ist sie als Teil der homosexuellen Subszene in Greenwich Village politisch aktiv, auch gegen den ‚weißen‘ Feminismus. Sie studiert Bibliothekswissenschaften, u.a. an der Columbia University, arbeitet als Bibliothekarin und wird 1968 ‚poet in residence’ am Tougaloo College (Mississippi). Diese Einladung, so Lorde, änderte ihr Leben maßgeblich. Ihre Dichtungen wie ‚Coal’s‘, ‚Movement Song‘ oder ‚Sisters in Arms‘ wurden zu politischen Statements gegen die damaligen hierarchischen Machtverhältnisse sowie der damit verbundenen rassistischen und diskriminierenden Unterdrückung von Schwarzen. Auch die New York Times rezipiert sie. Ihren emanzipatorischen Tatendrang ließ sich Lorde auch durch ihre frühe Brustkrebserkrankung nicht nehmen – ganz im Gegenteil. Lorde war stets bemüht ihre Anhängerinnen zu ermächtigen, der eigenen Stimme Gehör zu verschaffen. Audre sei wie eine Mutter gewesen, erinnert sich Jewelle Gomez im Film.

„Audre Lorde has been a pioneer in making available her voice as a teacher, a survivor, an activist, and a crusader against bigotry“ Ada Gay Griffin

Während der 1980er Jahre hält sich Audre Lorde auch immer wieder in Berlin auf. Hier wird sie schnell zur Avantgardistin einer sich entwickelnden Empowerment-Bewegnung der afro-deutschen Frauen. Sowohl durch Lorde als auch mit ihr bekommen auch die afro-deutschen Feministinnen eine Stimme – auch sie werden endlich gehört!

Sie erhält eine Gastprofessur an der Freien Universität Berlin und wird für eine ganze Generation afro-deutscher Frauen, die auf der Suche ihrer eigenen Herkunft und Identität sind, eine der wichtigsten Vorreiterinnen. Heute befindet sich an der Freien Universität das Audre Lorde Archiv, das viele Fotografien, Tonaufnahmen der damaligen Seminarsitzungen und weitere (Schrift-) Dokumente aufbewahrt und zugänglich macht.

 Eine ikonische Selbstbeschreibung – „What I leave behind has a life of its own“

Am Abend des Screenings erinnern sich zwei Besucherinnen an ihre ersten Begegnungen mit Audre Lorde. Als eine Symbolfigur hätten sie Lorde damals in den Seminaren wahrgenommen. Aus den gemeinsamen Treffen und dem Austausch schöpften sie die Kraft für ihren eigenen Kampf um ihre Rechte. In Erinnerung bleibt jedoch auch der Schmerz des 17. November 1992 – Lordes Todestag. Die Nachricht von Lordes Tod traf die afro-deutsche Community sehr.

Katharina Oguntoye konstatiert im Austausch mit Barbara Kettnaker (Vorstand IQN) in diesem Zusammenhang auch, dass Lordes Aktivismus aktueller denn je sei. Die damaligen Problemlagen würden heute, gerade im akademischen Milieu, unter dem Begriff der Intersektionalität verhandelt. Dabei findet Oguntoye die Begrifflichkeit der Intersektionalität eher unglücklich, gar unverständlich. Sie spräche lieber von einer vielschichtigen Betroffenheit, die viele in ihrem Leben mit sich tragen und die damals wie heute aufgezeigt werden müsse.

Audre Lorde, so das abschließende Einvernehmen der Besucher*innen, bleibt ein Vorbild der schwarzen Frauenbewegung, eine Ikone, die stets darum bemüht war, nicht eine solche Ikone zu werden – schon damals fragte sie sich, ob sie und ihr Schaffen überhaupt in Erinnerung bleiben werde. Das voll besetzte Screening und die anschließende Diskussion hätten Audre Lorde diesen Zweifel genommen.

Aktuell gibt es in Berlin außerdem das Vorhaben eine Straße nach Audre Lorde zu benennen.

 

David Prinz, Mitglied der Initiative Queer Nations e.V.