Wahlsieg Donald Trumps führt zu Manöverkritik

Die Republikaner konnten die Wahl auch gewinnen, indem sie sich als Korrektiv zu von den Demokraten unterstützten Auswüchsen im Transaktivismus darstellen konnten. Unter Demokraten und in liberalen Medien setzt nun die Diskussion ein, wo man in der Transfrage zu weit gegangen sein könnte. Auch einige Transaktivisten in den USA hinterfragen jetzt ihre Methoden. Wie wichtig ist diese Entwicklung für Deutschland?

Kommen bisherige Taktiken im Transaktivismus an ihr Ende, weil sie nicht die erhoffte Akzeptanz bringen? (Foto: Julia Morales auf Unsplash)

3. Dezember 2024 | Till Randolf Amelung

Der erneute Wahlerfolg Donald Trumps liegt auch daran, dass sich die Demokraten nicht von dem Image befreien konnten, die radikalsten Forderungen von Transaktivisten mitzutragen und selbst im Wahlkampf zu den entsprechenden TV-Wahlspot-Kampagnen der Republikaner schwiegen. Trumps Wahlkampfteam investierte Millionen Dollar in Werbespots, die besonders umstrittene Aspekte rund um das Thema „Trans“ in den Mittelpunkt ihres Marketings stellten. Analysen in liberalen Medien wie The Atlantic und der New York Times zufolge zündeten diese Werbebotschaften gerade bei WechselwählerInnen. Nun ist der Jammer im demokratischen Lager groß und die Diskussion beginnt, wo man bei der identitätspolitisch aufgeheizten Transfrage zu weit gegangen sei.

Frauensport und Minderjährige

Besonders heikle Themen sind, ob biologisch männliche Personen am Frauensport teilnehmen sollten, wenn sie sich als Frau identifizieren trotzdemsie eine männliche Pubertät durchlebten – und wie gechlechtsdysphorische Minderjährige am besten behandelt werden sollten. Jan Feddersen fasst die Stimmung in seinem Kommentar hier im Blog so zusammen: „Die Demokraten haben mit der Transfrage wichtige Anhängerschaften verloren, gerade unter jenen, die nichts gegen Transmenschen haben, jedoch nicht möchten, dass Transthemen bereits in den Schulklassen der Jüngsten verhandelt werden – ohne darüber mitentscheiden zu können. Die Mehrheit der US-amerikanischen WählerInnen möchten sich nicht der Ideologie unterwerfen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Und sie möchten sich den neuen Glauben an die Millionen Geschlechter, die es angeblich gibt, an die Behauptung, dass das biologische Geschlecht beinah beliebig variierbar ist, auch pharmakologisch, jedenfalls nicht ohne Mitsprache aufdrücken lassen.“

Kritik am gender-affirmativen Modell sei „Genozid“

KritikerInnen wurden jahrelang mitunter sehr bösartig verunglimpft. Wer bei Minderjährigen das gender-affirmative Modell einer zügigen Bestätigung der Geschlechtsidentität unter Missachtung möglicher Kontraindikationen als verantwortungslos kritisierte, musste sich von Transaktivisten vorwerfen lassen, „Trans“ auslöschen zu wollen und Konversionstherapien zu fordern, gar das Wort „Genozid“ fiel. Dabei ist die medizinische Evidenzbasis für das gender-affirmative Modell nur schwach, wie mehrere Untersuchungen international zeigen. Die jüngste Bestätigung diesbezüglich kommt aus Neuseeland.

In vielen Schulen ging es sogar so weit, dass Richtlinien eingeführt wurden, die verlangten, eine soziale Transition zu unterstützen, aber vor den Eltern geheim zu halten, wenn die SchülerInnen das so wollten. Allen Eltern wurde damit pauschal unterstellt, schlimmste Queerphobiker zu sein. Tatsächlich wurde ihnen aber durch das bewusste Vorenthalten die Möglichkeit genommen, sich um die Gesundheit ihrer Kinder zu kümmern, und Schulen maßten sich erhebliche Eingriffe an, ohne die Sicht der Eltern zu kennen. Immer mehr Eltern in den USA erzürnte dies, wie eine Recherche der New York Times von 2023 zeigte.

Biologisches Geschlecht hat im Sport Relevanz

Das zweite große Konfliktthema Frauensport ist davon geprägt, dass Transaktivisten sich beharrlich weigern, die Evidenz zum grundlegenden Unterschied zwischen biologisch männlichen und weiblichen Körpern zur Kenntnis nehmen zu wollen – besonders: das Testosteron in der Pubertätsentwicklung. Nachdem der Fall von Transfrau Lia Thomas im College-Schwimmwettbewerb auch international für Kontroversen sorgte, gibt es immer mehr Frauen und Mädchen, die biologisch männliche Transfrauen in ihren Wettbewerben ablehnen und das auch offen zeigen. Zum Beispiel, indem sie sich weigern, gegen Transfrauen anzutreten.

Nun, nach dem Wahl-Desaster und den aufkeimenden Schuldfragen, schlagen einige Aktivisten neue Töne an. In der New York Times, dem Zentralorgan der US-amerikanischen Linken und Liberalen, sprechen sie darüber, dass der Aktivismus der vergangenen Jahre wohl zu konfrontativ und dogmatisch gewesen sei. Das habe unnötigerweise Leute verprellt.  Sie verweisen auf Taktiken, insbesondere in den sozialen Medien, die für die AnhängerInnen der Bewegung zur Routine geworden sind: Versuche, die Sprache zu kontrollieren, wie z. B. die Streichung der Wörter „männlich“ und „weiblich“ aus Diskussionen über Schwangerschaft und Abtreibung; die Bezeichnung der falschen Benennung einer Transgender-Person als „Gewalt“.

Rodrigo Heng-Lehtinen, Geschäftsführer von Advocates for Transgender Equality sagte gegenüber der Zeitung, dass man es jemandem erlauben müsse, seine Meinung zu ändern. „Wir können sie nicht verunglimpfen, weil sie nicht auf unserer Seite sind. Niemand will sich diesem Team anschließen“, so Heng-Lehtinen weiter.

Ein jüngstes Beispiel für das, was Heng-Lehtinen kritisiert, findet sich im Umgang mit Seth Moulton, Kongressabgeordneter der Demokraten. Er erregte Wut, weil er die Teilnahme von biologisch männlichen Transpersonen am Frauen- und Mädchensport öffentlich kritisierte. Er sagte: „Ich habe zwei kleine Mädchen. Ich möchte nicht, dass sie auf einem Spielfeld von einem männlichen oder ehemals männlichen Athleten überrannt werden. Aber als Demokrat soll ich Angst haben, das zu sagen.“

In einem Gastbeitrag in der Washington Post beschreibt Moulton, was dann passierte: „Die Gegenreaktion kam schnell: Der Vorsitzende eines lokalen demokratischen Ausschusses nannte mich einen ‚Nazi-Kooperateur‘ und etwa 200 Menschen versammelten sich vor meinem Büro, um zu protestieren. Mein unanfechtbares Eintreten für die Bürgerrechte aller Amerikaner, einschließlich der Trans-Gemeinschaft, war irrelevant. Was mich allerdings erstaunt hat, ist das, was hinter den Kulissen passiert ist. Unzählige Demokraten aus der gesamten Partei haben sich bei mir bedankt.“

Aktivisten wie Heng-Lehtinen denken inzwischen, dass man beim Sportthema eine überzeugendere Botschaft brauche und sich trotzdem gegen die von Republikanern erlassenen gesetzlichen Verbote wenden müsse: „Ich glaube nicht, dass wir mit einer Einheitslösung am besten bedient sind“, sagte er in der New York Times und fügte hinzu, dass pauschale Verbote für Transgender-Sportler genau das sind.

Kritische Auseinandersetzung mit Forderungen nötig

Doch letztlich zeigen die Entwicklungen um das Transthema in den USA, dass sich AktivistInnen nicht nur mit ihren Methoden auseinandersetzen sollten, sondern auch mit den Inhalten ihrer Forderungen. Bei Themen wie Sport wird es auch darum gehen müssen, dass Transpersonen verzichten. Es wird zu einem jeden Transitionsprozess die Einsicht gehören müssen, dass das biologische Geschlecht nicht vollständig überwindbar ist und dementsprechend in bestimmten Bereichen wie dem Sport mehr Relevanz als die Identität hat.

Ebenso müssen sich die AktivistInnen fragen, ob sie weiterhin mit von ihnen diktierten Richtlinien in Schulen es besser wissen können als die Eltern, was dem Kindeswohl zuträglich ist. Vor allem angesichts der dünnen Evidenzbasis für den gender-affirmativen Ansatz. Solche grundsätzlicheren Fragestellungen werden von Transpersonen wie Brianna Wu und Buck Angel aufgeworfen. Beide halten Dogmen wie Self ID, also dass nur jede Person über ihre Geschlechtsidentität allein entscheiden kann und dies für alle anderen in der Gesellschaft bindend sei sowie Transitionen von Minderjährigen unter Missachtung von Sicherheitsaspekten für falsch. Im Gefolge von Self ID sind auch grenzüberschreitende Fetischisten dazu gekommen, die man nun nicht mehr loswird und die gerade auch die Konflikte mit Frauen verursachen.

Mit der Missachtung von Sicherheitsfragen bei Minderjährigen nimmt man mutwillig in Kauf, dass viele darunter sind, die eigentlich andere Unterstützung brauchen, aber keine Transition mit Pubertätsblockern und Co. Das wissen immer mehr Menschen und kann auch nicht mehr von einer Starkolumnistin wie Masha Gessen weggeredet werden. Gessen behauptet in der New York Times, es ginge bei den Sorgen vor verfrühten und irreversiblen Behandlungen vor allem um Fruchtbarkeit und reduziert alles auf eine rechte Agenda: „Zurückdrängen von Trans-Rechten, Lesben- und Schwulenrechten, reproduktiven Rechten und Frauenrechten, alles im Namen eines wieder großartigen, heterosexuellen und weißen Amerika.“ Worüber Gessen jedoch kein Wort verliert: Den hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen, die erhebliche komplexe psychische und biografische Probleme mitbringen und denen eine gender-affirmative Behandlung nicht gerecht wird. Auch das Schädigungspotenzial durch mangelhafte Kenntnis von Langzeitfolgen wird von Gessen nicht beachtet.

Auch in Deutschland gibt es Konflikte

Was bedeuten diese Entwicklungen für Deutschland? Das Ausmaß der Polarisierung ist hier zwar noch nicht auf einem Level wie in den USA, doch auch hier sind Konflikte durch vergleichbare Fehler vorprogrammiert. Diesseits wie jenseits des Atlantiks vertreten TransaktivistInnen ihre Positionen rigoros; auf Social Media wird vor Verunglimpfungen nicht zurückgeschreckt, wie ein Sammelthread auf der Plattform X zeigt.

Ebenso ist die Tonlage überzogen schrill, wie zum Beispiel der Auszug aus einer Rede der Hamburger Aktivistin und Psychologin Cornelia Kost zum Transgender Day of Remembrance verdeutlicht. Kost fabuliert darin von „TERFs, die unsere Auslöschung wollen“ und vermengt Proteste gegen das deutsche Selbstbestimmungsgesetz mit 350 vornehmlich in südamerikanischen Ländern ermordeten Transfrauen. Diese Transfrauen waren in der Prostitution tätig und die Täter waren Männer. Das zeigt, wie unredlich und manipulativ die Verquickung mit der Kritik am Selbstbestimmungsgesetz ist.

Die transkritische Elterngruppe „Trans Teens Sorge berechtigt“ beklagt in einem Blogbeitrag, dass soziale Transitionen an Schulen ohne Wissen der Eltern auch in Deutschland passieren könnten. Als Beleg dienen Leitlinien für die Inklusion geschlechtlicher Vielfalt der Berliner Fritz-Karsen-Schule, in denen es unter anderem heißt, dass Weitergabe von Informationen über die Geschlechtsidentität an die Eltern die schriftliche Einwilligung des Schülers/der Schülerin bedürfen.

Im Leitliniendokument der Schule heißt es, der Inhalt basiere auf den „Informationen für das schulische Umfeld von trans-und intergeschlechtlichen und nichtbinären Schüler*innen“, die aus der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie stammt. Eine Pädagogin, die an einer anderen Berliner Schule arbeitet und anonym bleiben will, bestätigte gegenüber IQN die Existenz solcher Leitlinien. An ihrer Schule sei dieser Wortlaut nicht übernommen worden.

Ebenfalls präsent ist in Deutschland die Sportfrage – zum Beispiel im Fußball. Der Deutsche Fußballbund hat unter Beratung von TransaktivistInnen Richtlinien erlassen, wonach die Transperson entscheiden darf, ob sie im Frauen- oder Männerteam spielen wolle. Biologische Faktoren sollen dafür irrelevant sein. Deshalb kann unter anderem der Transmann Ben Borchardt trotz Testosterontherapie weiter im Frauenteam mitspielen. Von einem unfairen Vorteil gegenüber den Frauen ohne Testosteronboost will er laut NDR-Bericht nichts wissen, obwohl seine Mitspielerinnen und Gegnerinnen wegen Dopings sanktioniert würden, täten sie ebenfalls Testosteron nehmen.

Sachliche Kritik an solchen Regelungen wie beim DFB wird in den Medien zumeist nicht abgebildet, die Berichterstattung ist eher transaffirmativ. Es ist aber sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland Kritik lauter wird. Doch hier scheint man im Transaktivismus noch keinen Anlass zu sehen, die eigenen Methoden und Ziele zu hinterfragen. Auch das könnte sich noch ändern.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Autor veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien, zum Beispiel der Jungle World. Ebenso veröffentlicht er in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN. 2020 gab er im Querverlag den Sammelband Irrwege – Analysen aktueller queerer Politik heraus. 2022 erschien sein Essay Transaktivismus gegen Radikalfeminismus. Gedanken zu einer Front im digitalen Kulturkampf.


Auf ein Wort in eigener Sache: Die 2005 gegründete Initiative Queer Nations versteht sich getreu des Mottos von Magnus Hirschfeld „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ als Debattenplattform. Im Blog gibt es Kommentare, Analysen, Berichte zu aktuellen Themen, die unsere Arbeitsschwerpunkte berühren. Neben der Herausgabe des „Jahrbuchs Sexualitäten“ seit 2016 und Veranstaltungen, etwa unseren Queer Lectures, erweitern wir damit unser Angebot. Wir sagen: Mainstream kann jeder – wir haben das nicht nötig!  Wir arbeiten ehrenamtlich. Alle Texte in unserem Blog sind kostenfrei zugänglich. Damit das weiterhin möglich ist, freuen wir uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende oder Mitgliedschaft bei der IQN e.V. unterstützen.