In Italien wurde das gesetzliche Verbot von Leihmutterschaft verschärft. Italiener*innen dürfen nun auch nicht mehr im Ausland einen Kinderwunsch mit Leihmutter umsetzen. Kritik*innen nehmen das als Beleg für Giorgia Melonis LGBTIQ-Feindlichkeit. Doch das ist falsch.

Beleuchteter Umriss einer schwangeren Frau als Symbolbild für den Artikel zu Leihmutterschaft
Wie progressiv ist Leihmutterschaft? (Foto: Glitch Lab App auf Unsplash)

21. Oktober 2024 | Till Randolf Amelung

In Italien hat die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni das gesetzliche Verbot von Leihmutterschaft verschärft. Künftig ist Leihmutterschaft und deren Inanspruchnahme nicht nur in Italien selbst verboten, sondern für italienische Staatsbürger*innen auch im Ausland. Bei Verstoß gegen das Gesetz können bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe von bis zu einer Million Euro fällig werden.

Opposition kritisiert Gesetz

Auf dem Kurznachrichtendienst X kommentiert Meloni die Gesetzesänderung: „Mit der heutigen endgültigen Verabschiedung im Senat ist der Gesetzentwurf, der die Vermietung der Gebärmutter unter Strafe stellt, endlich Gesetz. Eine vernünftige Regelung gegen die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers und von Kindern. Menschliches Leben hat keinen Preis und ist nicht verhandelbar.“

Für die Opposition ist das Gesetz „mittelalterlich“ und nehme homosexuellen und unfruchtbaren Paaren die Möglichkeit, sich einen Kinderwunsch zu erfüllen. Einige deutsche Medien griffen diesen Spin auf und titelten z.B. „Meloni-Regierung  schränkt LGBTIQ-Rechte ein“. Die „Spiegel“-Journalistin Ann-Kathrin Müller twitterte: „Die ,gemäßigte‘ Frau Meloni, jaja“ und stellte dabei einen Zusammenhang zwischen dem Leihmutterschaftsthema und der Auslagerung von Asylverfahren nach Albanien her.

Doch diese Verknüpfung ignoriert, dass es fundierte Kritik am Leihmutterschaftskonzept gibt, auch eine, die aus linker und feministischer Richtung kommt.  Die Kritiker*innen sehen es so, dass es kein „LGBTIQ-Recht“ auf ein leibliches Kind gibt, wenn dies zu Lasten Dritter geht.

Leihmutterschaft ist Ausbeutung

Zur Erläuterung: Leihmütter finden sich zumeist in den ärmeren Teilen dieser Welt, und für viele Frauen ist es wirtschaftliche Not, die sie dazu treibt, sich auf ein solches Geschäft einzulassen.  Eine Schwangerschaft verlangt dem Körper einer Frau alles ab. Und selbstverständlich will die Kundschaft zumeist nicht einfach nur ein Kind, sondern es soll das Glück durch Makellosigkeit vervollkommnen. Doch dies geht nicht immer auf, und so gab es bereits Fälle, wo die Klientel die bestellte Ware nicht abgenommen hat, weil zum Beispiel eine Behinderung vorlag oder das Geschlecht nicht passte.

Beziehungsaufbau ist zumutbar

Melonis Regierung hat diesem Geschäftsmodell nun einen Riegel vorgeschoben. Dies ist begrüßenswert. Zumal es homosexuellen Paaren durchaus zuzumuten ist, sich für einen Kinderwunsch um zwischenmenschlichen Beziehungsaufbau zu bemühen.  Das meint mitnichten, Heterosex zu haben, sondern vielmehr Bündnisse auf Augenhöhe zu schließen und sich die Fürsorge zu teilen. Der biologisch notwendige Vorgang der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle lässt sich schließlich auch mit künstlicher Befruchtung regeln.

In modernen und aufgeklärten Gesellschaften können sich Sorgegemeinschaften auch jenseits der heterosexuellen Kleinfamilien organisieren.  Längst weiß man, dass diese kein Glücksgarant ist. Ebenfalls wären für gleichgeschlechtliche Paare Adoptionen möglich.  Doch diese sind nicht überall erlaubt, zum Beispiel in Melonis Italien.  Zudem hat die Regierung Melonis erwirkt, dass Individualentscheidungen, bei denen gleichgeschlechtliche Paare als Eltern in die Geburtsurkunde eingetragen werden, nicht mehr möglich sind und bereits erfolgte angefochten werden.

Israel gibt Leihmutterschaft für gleichgeschlechtliche Paare frei

Israel hingegen nimmt nun dank zweier Entscheidungen des von der rechtspopulistischen Netanjahu-Regierung unabhängigen und deutlich liberaleren Obersten Gerichtshofs eine gegensätzliche Entwicklung. Leihmutterschaft ist dort bereits legal, jedoch konnten bislang nur heterosexuelle Paare einen Kinderwunsch auf diese Weise umsetzen. Nun steht dies auch homosexuellen Paaren offen, die vorher eine Leihmutter im Ausland suchen mussten. Ebenso hat das Oberste Gericht geurteilt, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht von einer Adoption ausgeschlossen werden dürfen.

Dass Israel im Gegensatz zu Italien Homos und Heteros mit Kinderwunsch gleichstellt, ist richtig. Denn Kinder brauchen rechtlich abgesicherte Sorgeberechtigte. Adoptionen sollten daher auch gleichgeschlechtlichen Paaren möglich sein, denn sie sind dem Kindeswohl nicht abträglicher, als es Heteropaare sind. Das konnte auch durch Studien belegt werden. Doch reproduktive Ausbeutung von Frauen als Leihmütter gehört nicht zu dem, was geschützt werden muss.


Till Randolf Amelung ist Redakteur des IQN-Blog und seit Juli 2024 auch Mitglied des IQN-Vorstand. Als freier Autor veröffentlicht er mit Schwerpunkt auf geschlechterpolitischen Themen auch in anderen Medien, zum Beispiel der Jungle World. Ebenso veröffentlicht er in wissenschaftlichen Sammelbänden wie dem Jahrbuch Sexualitäten der IQN. 2020 gab er im Querverlag den Sammelband Irrwege – Analysen aktueller queerer Politik heraus. 2022 erschien sein Essay Transaktivismus gegen Radikalfeminismus. Gedanken zu einer Front im digitalen Kulturkampf.


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