Am 27. Januar 2022 gedenkt der Deutsche Bundestag den Opfern des Nationalsozialismus und einmal mehr wird es keine gesonderte Würdigung für die homosexuellen NS-Opfer geben. Zeit für eine Petition für eine Gedenkstunde im Bundestag an homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus.


Ein Gastbeitrag von Lutz van Dijk

Seit dem 15. Januar 2018 bemühen wir uns gemeinsam darum, dass in der jährlichen Gedenkstunde im Bundestag an die Opfer des Nationalsozialismus, die seit 1996 besteht, auch einmal an sexuelle Minderheiten erinnert wird. Dem wurde bislang nicht entsprochen.

Unmittelbar nach ihrer Amtseinführung erneuerten wir unser Anliegen gegenüber der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in einem Schreiben vom 28. Oktober 2021, das gemeinsam von Henny Engels (Bundesvorstand des LSVD – Lesben- und Schwulenverband Deutschlands) und mir unterzeichnet wurde (siehe PDF hier).

Wir argumentierten für den 27. Januar 2022, da sich dann „zum 150. Mal das Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches [jährt] und damit auch die reichsweite Einführung des § 175 RStGB, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte und in einigen deutschen Ländern bereits bestehende liberalere Gesetzgebungen (beispielsweise in Bayern) unwirksam machte.“

Konzeption der Gedenkstunde 2023

Bundestagspräsidentin Bas antwortete am 21. November (zugestellt gestern, am 29. November, siehe unten), dass „die Gedenkstunde des kommenden Jahres… im Kontext des 80. Jahrestages der verbrecherischen Wannsee-Konferenz stehen (wird)…“ und: „In Kürze wird sich das Präsidium des 20. Deutschen Bundestages mit der Konzeption der Gedenkstunde des Jahres 2023 befassen und hierbei insbesondere den Vorschlag einbeziehen, die als Homosexuelle verfolgten und ermordeten Menschen in den Mittelpunkt der Gedenkstunde zu stellen.“ (siehe LSVD-PM hier).

Wir werden alles tun, um Bundestagspräsidentin Bas und alle Mitglieder ihres Präsidiums darin zu unterstützen, am 27. Januar 2023, der gleichzeitig jedes Jahr die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz 1945 markiert, tatsächlich sexuelle Minderheiten „in den Mittelpunkt zu stellen“, die damals und in vielen Ländern der Welt bis heute mit Folter, Haft und sogar der Todesstrafe verfolgt werden

Erfreulich ist, dass es in der Gedenkstätte Auschwitz selbst (offiziell: dem „Staatlichen Museum Auschwitz“) am 7.-8. Juli diesen Jahres die erste internationale online Konferenz gab, in der auch ausdrücklich über sexuelle Minderheiten als Opfer in Auschwitz gesprochen wurde. Im September diesen Jahres erschien im Warschauer Neriton Verlag die polnische Ausgabe de Buches „Erinnern in Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“.

Als eines von verschiedenen Vorhaben werden Henny Engels und ich am Montag, dem 24. Januar 2022, ab 19 Uhr, im taz Queer Talk auf Fragen von Jan Feddersen antworten.

Lutz van Dijk, Historiker und Schriftsteller, früher Mitarbeiter des Anne Frank Hauses in Amsterdam, arbeitet heute vor allem mit polnischen Historiker:innen zusammen – im Kontext eines Erinnerns an sexuelle Minderheiten in Auschwitz. Er lebt und arbeitet überwiegend in Kapstadt und berichtet auch aus Südafrika für die taz.