Eine Nachbetrachtung zur Queer Lecture mit Werner Renz über Fritz Bauer und dessen Kritik am Sexualstrafrecht
Fritz Bauer und die Homosexualität
von Maria Borowski
Die Queer Lecture „Wider die Sittenwächter – Fritz Bauers Kritik am Sexualstrafrecht“ vom 8. Juni 2016 füllte das taz Café in der Rudi-Dutschke-Straße bis auf den letzten Sitzplatz. Rund fünfzig Gäste verfolgten den dreiteiligen Vortrag von Werner Renz, der auch nach seiner Pensionierung weiterhin als freier Mitarbeiter im Archiv des Fritz Bauer Institut in Frankfurt tätig ist.
Der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1901-1968) ging als die zentrale Figur im Zustandekommen für die Ausschwitzprozesse von 1961-1983 in die Geschichte ein – und geriet dennoch lange in Vergessenheit. Sein Bestreben, die Justiz in der Bundesrepublik nach 1945 zu demokratisieren, die Straf- und Strafvollzugsrechte zu reformieren, und vor allem das Strafgesetz, welches homosexuelle Handlungen zwischen Männern weiterhin mit dem durch die Nationalsozialisten verschärften Paragrafen 175 bestrafte, abzuschaffen, bleibt eher in der zweiten Reihe der Geschichtserzählung.
Das humanisierte Recht
Werner Renz machte deutlich, dass Fritz Bauer die Rechtsprechung humanisieren wollte. Anstatt den Täter durch Einkerkerung zu bestrafen, legte er den Fokus auf die Erziehung straffälliger Menschen. Der Jurist sollte bei der Verurteilung nicht nur die Straftat an sich betrachten sondern auch die Umstände, die zur Tat geführt hatten. Alle Richter sollten vorurteilsfrei – ohne subjektiv- oder ideologisch-geprägte Meinung – Recht sprechen.
Dass die 50er und 60er Jahre in der Bundesrepublik noch nicht frei jedweder Färbung waren, verdeutlichte der sog. Schund- und Schmutzparagraf, der die „sittliche Verwahrlosung“ verhindern sollte. Das sog. allgemeine Scham- und Sittlichkeitsgefühl spielte eine zentrale Rolle in der Auslegung der Rechte der Bundesbürger*innen. Das 1962 eingeführte Sexualstrafrecht, welches 190 mögliche Delikte unterschied, führte den Menschen vor Augen, dass keine sexuelle Selbstbestimmung existieren sollte.
Die Beibehaltung des nationalsozialistisch geprägten § 175 speiste sich ebenfalls aus dieser Gedankenwelt. 1951 und 1957 wurde von den Richtern in Karlsruhe der §175 als verfassungskonform bestätigt. Homosexualität wurde damit als „sozialschädlich“ und „die Volkskraft gefährdend“ eingestuft. Obwohl Fritz Bauer gegen den §175 kämpfte, konnte er die Verfolgung von homosexuellen Männern nicht verhindern.
Ein schwuler Nachkriegsheld?
Im Zusammenhang mit dem dritten Abschnitt des Vortrags, der die Rolle der Freundschaft zwischen dem Schriftsteller und Filmemacher Thomas Harlan und Fritz Bauer betrachtete, entspann sich im anschließenden Gespräch die Debatte um den „schwulen Nachkriegshelden“. War Fritz Bauer schwul? Hat er seine Sexualität ausgelebt? Oder hat er seine Sexualität für DIE SACHE unterdrückt?
Das sind Fragen, die heutzutage keine Rolle mehr spielen sollten. So glaubt man. Doch schaut man sich die gegenwärtigen Kontroversen um Fritz Bauer an, scheint seine vermeintliche Homosexualität manchen Betrachtern der Geschichte nicht zu passen. Anstatt Aspekte einer historisch relevanten Person zu kaschieren, wäre es doch einfacher, die Leerstellen der Biografie zu benennen.
Denn so wäre auch Fritz Bauers Anspruch human und objektiv anstatt vorurteilsbeladen mit Menschen umzugehen, für seine Person eingehalten. Fritz Bauer würde sicherlich als früher Kämpfer gegen den §175 das Rehabilitationsvorhaben des Bundesjustizministeriums zugunsten der Opfer des Paragrafen 175 begrüßen.
Maria Borowski ist Vorständin von Queer Nations IQN; Mitarbeit: Barbara Kettnacker.